Leitartikel zur Bundestagsdebatte Der Klimaschutz und die Verführbarkeit der Wähler

Die Bundesregierung strebt in der Klimapolitik einen Konsens mit den Oppositionsparteien an; diese haben das Angebot am Mittwoch in der Generalaussprache über den Haushalt 2020 mit Ausnahme der AfD prinzipiell angenommen.

Beim Klimaschutz suchen Parteien Konsens, nur nicht die AfD
Foto: SZ/Roby Lorenz

Die für nächste Woche geplanten Entscheidungen bekommen damit einen Status wie sonst nur noch Rentenreformen, wo man in Deutschland früher auch stets möglichst breite Mehrheiten gesucht hat, um Wahlkämpfe auf dem Rücken der Senioren zu vermeiden.

Die Aufgabenstellung gleicht ohnehin schon der Quadratur des Kreises: Das Wachstum soll nicht gefährdet, der CO2-Ausstoß aber trotzdem drastisch gesenkt werden. Und zwar ohne höhere Steuern, sozial gerecht, ohne Einschränkungen der Mobilität für die Bürger und ohne Stadt und Land gegeneinander auszuspielen. So die Ziele, die Kanzlerin Angela Merkel am Mittwoch wiederholt hat. Das ist schon in der großen Koalition ein kompliziertes Unterfangen, wie der spärliche Beifall aus der Unionsfraktion gezeigt hat. Wenn dann noch Grüne, FDP und Linke einbezogen werden sollen, wird es vertrackt.

Und trotzdem muss dieser Konsens gesucht werden. Denn, auch das hat sich am Mittwoch gezeigt, die Klimapolitik ist nach dem Abebben des Flüchtlingsstroms aus Sicht der AfD die nächste große Bruchstelle der deutschen Gesellschaft. Hier sucht sie abermals die Polarisierung. Fast jede Maßnahme lässt sich populistisch ausschlachten, wenn man einfach behauptet, dass es gar keinen von Menschen gemachten Klimawandel gibt. Dann kann man den Kohlearbeitern gefallen, den Dieselautobesitzern, den Hauseigentümern, den Pendlern, den Bauern und den Vielfliegern. Jedem. Die AfD ist wild entschlossen, diesen im wahrsten Sinne des Wortes schmutzigen Weg zu gehen, wenn er ihr nur Wähler bringt. Es ist ein Weg, der Deutschland nicht nur wegen der auch hierzulande unweigerlich eintretenden Folgen des Klimawandels schaden wird. Sondern auch weil er alte Technologien fortsetzt und die Entwicklung neuer Lösungen behindert, also der Wirtschaft letztlich massiv schadet.

Die Frage wird sein, ob das Versprechen der anderen Parteien, nicht von dieser billigen Frucht der Verführbarkeit der Wähler zu kosten, auch noch hält, wenn es hart auf hart kommt. Sie müssten dazu alle akzeptieren, dass das Klimaschutzgesetz auch Lösungen und Komponenten enthalten wird, die nicht die eigenen sind. Die FDP müsste tolerieren, dass es hier oder da Verbote gibt, die Grünen, dass man es in bestimmten Bereichen eher mit Anreizen versucht, die Union, dass auch an der Preis- und Steuerschraube gedreht wird, die SPD, dass nicht jeder Pendler auf seine Kosten kommen wird. Es wird nicht gelingen, einen Kompromiss in jeder Einzelfrage zu finden. Was gelingen kann, ist ein Paket, das insgesamt einen Kompromiss darstellt und trotzdem wirkt. Wer sich auch dem verweigert, lädt hohe Verantwortung und Schuld auf sich. Über das Klima hinaus.

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