Beherbergungsverbote Die Kosten-Nutzen-Rechnung geht nicht auf

In ihrem Kern ist die aktuelle Diskussion um das Beherbergungsverbot für Menschen aus Corona-Risikogebieten nicht neu. Letztlich geht es schon seit Beginn der Pandemie immer wieder um die Frage, in welchem Ausmaß Einschränkungen der persönlichen Freiheit vertretbar sind – gemessen am epidemiologischen Nutzen, den sie auf der anderen Seite bringen.

 Gerrit Dauelsberg

Gerrit Dauelsberg

Foto: SZ/Robby Lorenz

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Maskenpflicht. Mag sie doch für viele Bürger eine Plage sein und auch für gewisse Umsatzeinbußen im Einzelhandel sorgen, so ist der Nutzen bei der Eindämmung des Virus so groß, dass die recht überschaubaren Nachteile in Kauf genommen werden müssen. Ob diese Kosten-Nutzen-Rechnung auch im Falle des Beherbergungsverbotes aufgeht, ist hingegen äußerst zweifelhaft. Insofern sollten Bund und Länder diese Regelung, die inzwischen fast überall gilt, deutlich lockern – oder ganz abschaffen.

Wenn selbst Karl Lauterbach, einer der größten Verfechter strenger Corona-Vorschriften, den epidemiologischen Sinn von Beherbergungsverboten in Zweifel zieht, sollte das zu denken geben. Der SPD-Gesundheitsexperte verweist darauf, dass keine Studie innerdeutsche Reisen als Pandemietreiber ausweist. Seine richtige Schlussfolgerung: Ein Beherbergungsverbot löst kein Problem, weil es an dieser Stelle kein Problem gibt. Stattdessen bringt die Regelung jede Menge Nachteile: Der ohnehin stark gebeutelten Hotelbranche droht der Todesstoß, wenn immer weniger Gäste aus dem Inland kommen dürfen – es sei denn, sie legen einen aktuellen negativen Corona-Test vor. Diese Auflage wiederum sorgt dafür, dass wertvolle Testkapazitäten ohne echten Anlass wie Symptomen oder Kontakt zu Infizierten in Anspruch genommen werden. Und zu guter Letzt das wichtigste Argument: Der Staat schränkt das Grundrecht auf Freizügigkeit ein. Dafür braucht es aber sehr triftige Gründe – sprich: ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis. Ist dieses bei einer Maßnahme von solcher Tragweite nicht gegeben, ist die Regelung verfassungswidrig. Ein schlichtes „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“ reicht da nicht aus.

Dazu kommt: Der derzeitigen Regelung fehlt auch die innere Logik. Menschen aus Risikogebieten dürfen weiterhin in andere Landkreise reisen. Tagesausflüge bleiben erlaubt, ebenso wie eine Übernachtung bei Freunden oder Verwandten. Nur Hotelübernachtungen sind grundsätzlich verboten. Als wäre das Risiko hier größer als bei einer privaten Unterbringung. Das Gegenteil ist der Fall: Die meisten Hotels haben inzwischen sehr gute Hygiene-Konzepte.

Richtig ist aber auch: Wer in einem Risikogebiet wohnt und womöglich auch noch viele soziale Kontakte hat, sollte derzeit ganz besonders vorsichtig sein – egal ob auf Reisen oder daheim. Das Abstandsgebot sowie weitere inzwischen bekannte Hygiene-Maßnahmen sollten wieder stärker ins Bewusstsein rücken. Und von staatlicher Seite ist eine maßvolle und zielgenaue Verschärfung der Regeln für solche Gebiete durchaus angebracht – etwa was Veranstaltungsgrößen oder strengere Vorgaben für private Feiern anbelangt.

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