Leitartikel Der Zorn der AKK und die Meinungsfreiheit

Am Montag hat die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sich und ihrer Partei verbal ins Knie geschossen. Nach dem nicht berauschenden Abschneiden ihrer Partei bei der Europawahl nahm sie sich die 70 Youtuber vor, die in Internetvideos davon abgeraten hatten, CDU und SPD zu wählen.

AKK, Rezo und die Debatte über Regeln für Youtuber
Foto: SZ/Robby Lorenz

„Was wäre eigentlich in diesem Lande los, wenn eine Reihe von, sagen wir, 70 Zeitungsredaktionen zwei Tage vor der Wahl erklärt hätten, wir machen einen gemeinsamen Aufruf: Wählt bitte nicht CDU und SPD?“, fragte Kramp-Karrenbauer. Und dann sprach sie über „Regeln aus dem analogen Bereich“, also aus den gedruckten Medien, und welche davon  für den „digitalen Bereich“ gelten sollen, wenn es um „Meinungsmache“ kurz vor einer Wahl geht. Darüber müsse man reden.

Reden ist immer gut. Insbesondere das Video, das der Youtuber Rezo ein paar Tage zuvor unter dem Titel „Zerstörung der CDU“ veröffentlicht hatte, bietet viel Gesprächsstoff. Man kann darüber reden, wie stichhaltig seine Argumentation ist, die CDU zerstöre durch ihre Klimapolitik die Zukunft junger Menschen. Und man kann natürlich auch darüber reden, ob die Art und Weise, wie er seine Angriffe vorträgt, fair ist.

Aber was Regeln angeht, sagt das Grundgesetz ganz klar: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Dass Youtuber und Blogger eine andere Sprache sprechen und damit Menschen beeindrucken, die die etablierte Politik offenbar nicht erreicht, ist aber keine Frage von Regeln. Das ist eine Frage von Kommunikation, von Ernstnehmen. Das scheint auch die CDU-Chefin nach heftiger Kritik an ihren Äußerungen  zu spüren. Sie schob am Dienstag nach: Es gehe nicht um Einschränkung von Meinungsfreiheit. „Es geht um die Frage, wie sich Kommunikation und auch politische Kultur durch soziale Medien verändern. Das ist die Frage des Umgangs miteinander“.

Die Antworten auf diese Fragen kann aber nicht die Politik diktieren. Parteien, die ihre Sichtweise natürlich für die richtige halten, können keine Regeln aufstellen, um Zwischenrufe von Journalisten, Youtubern oder anderen, die sich an Debatten beteiligen, in gute und böse „Meinungsmache“ einzuteilen. Wenn sich Prominente im Wahlkampf  für diese oder jene Partei aussprachen, hat das bisher zum Beispiel nicht zu einem Aufschrei geführt. Wenn die Prominenten der jungen Generation das nun tun, soll das schlimm sein?

Annegret Kramp-Karrenbauer wäre also gut beraten, über neue Kommunikationsformen ihrer Partei nachzudenken und nicht aus Zorn und Hilflosigkeit auf dem Grundgesetz herumzutrampeln. Ansonsten könnten nämlich ihre Parteifreunde und wir Bürger den Eindruck gewinnen, dass sie verbal nachlädt, um sich und ihrer Partei erneut ins Knie zu schießen.

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