Briten wählen in Europa mit Absurde Wahl als Bühne für britische Populisten

Überraschend kam die Ankündigung zwar nicht, dass die Briten nun doch an den Europawahlen teilnehmen. Zu zerstritten präsentiert sich seit Monaten das Parlament. Zu geschwächt regiert die konservative Premierministerin Theresa May in der Downing Street.

Absurde EU-Wahlteilnahme ist Bühne
Foto: SZ/Robby Lorenz

Und zu deutlich wurde das zwischen Brüssel und London ausgehandelte Austrittsabkommen drei Mal vom Unterhaus abgeschmettert. Trotzdem ist es eine Wahl, die nie hätte stattfinden sollen. Die nie hätte stattfinden dürfen.

Absurd: Ein Land, das sich mehrheitlich für den Austritt aus der Staatengemeinschaft ausgesprochen hat, wählt nun Volksvertreter, die an Entscheidungen rütteln können, mit denen das Parlament auch noch weit nach dem Brexit leben muss. Hinzu kommt: Sollte die Regierung in London bis zur konstituierenden Sitzung des Europaparlaments am 2. Juli die Scheidung nicht durchsetzen, würden aus Großbritannien vermutlich vor allem Unruhestifter und Giftmischer gesendet werden.  Die erst vor einigen Wochen gegründete Brexit-Partei des Chef-Europaskeptikers Nigel Farage könnte einen Riesenerfolg einfahren und womöglich mehr Stimmen holen als die regierenden Konservativen und die oppositionelle Labour-Partei zusammen. Die Wähler wollen May dafür abstrafen, den EU-Austritt nicht wie versprochen Ende März geliefert zu haben. Und so wird der 23. Mai ohne Zweifel eine Abstimmung über den Brexitkurs. Ein Stellvertreter-Referendum, wenn man so will, das zwar lediglich Signalwirkung hat, dennoch eine starke Botschaft an die beiden Volksparteien in Westminster senden wird.

Das Problem für die Brexit-Gegner: Das proeuropäische Lager ist zerrissen. Anstatt mit einer klaren Botschaft die heimatlosen Europafreunde abzuholen und sich in einer überparteilichen Allianz mit der Forderung nach einem zweiten Referendum zusammenzuschließen, übertrumpft Parteipolitik Vernunft und Allgemeinwohl. Das ist ein Fehler, der sich rächen wird. Dabei hat die Brexit-Partei weder ein Parteiprogramm vorzuweisen noch liefert sie Antworten auf drängende Fragen. Aber die Front der EU-Hasser präsentiert sich geschlossener als jene der EU-Freunde. Es reicht aus, dass Farage und Co. einen ungeordneten Austritt ohne Deal fordern und dabei geschickt mit viel Hurra-Patriotismus die Details der Herkulesaufgabe ignorieren. Die Populisten setzen vielmehr auf die Wut und Frustration vieler Menschen, die leider wieder einmal nur Mittel zum Zweck sind. Doch die Entzauberung von Nigel Farage, der unentwegt gegen das Establishment wettert, obwohl er als Europaabgeordneter längst Teil davon ist, fällt seinen Gegnern schwer. Die Brexit-Gegner machen dieselben Fehler wie vor dem Referendum vor drei Jahren. Anstatt positiv für die EU-Mitgliedschaft zu werben, lassen sie sich von Farage provozieren, wettern gegen ihn und seine unbestritten ganz eigene Beziehung zur Wahrheit. Dieser kann sich dann als Opfer inszenieren, was seine Anhänger nur noch lauter jubeln lässt.

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