Streit um Arbeitszeiten Flexibilität darf nicht nur Arbeitgebern nutzen

Flexibles Arbeiten: Das klingt verheißungsvoll. Das klingt nach Selbstbestimmung, nach freier Arbeitszeitgestaltung. Und ja, es ist auch gewissermaßen ein Traummodell – nur eben nicht für die Beschäftigten. Denn, wenn die Wirtschaftsweisen, wie jetzt geschehen, die Aufweichung der Acht-Stunden-Regel fordern, verkennen sie, dass das so genannte flexible Arbeiten schon jetzt vor allem Arbeitgebern zugutekommt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält zu Recht dagegen: Flexibilität kann nicht die Streichung des Feierabends bedeuten. Auch in einer digitalen Welt sollten Chefs die Tagesarbeitszeit nicht beliebig hochschrauben können. Vielmehr brauchen wir gerade in der heutigen Zeit klare Grenzen. Und: mehr Spielraum für Arbeitnehmer. Genau dafür kämpft morgen auch die Gewerkschaft IG Metall zum Auftakt der Tarfiverhandlungen.

Die Gewerkschafter weisen nicht ohne Grund darauf hin, dass das Gesetz bereits jetzt schon genug Öffnungsmöglichkeiten bietet. Man denke beispielsweise an das Anhäufen von Sonntagsdiensten oder das Streichen von Ersatzruhetagen. Wer an den Grundfesten des Arbeitszeitgesetzes rüttelt, gefährdet aber ein besonders schützenswertes Gut: die Gesundheit. Das gilt zum Beispiel für die Forderung der Wirtschaftsweisen, die Mindest-Ruhephase zwischen Arbeitseinsätzen von elf auf neun Stunden zu senken. Heißt de facto, dass ein Großteil der Betroffenen in den Fällen, in denen die Regelung greift, auf ausreichende Nachtruhe verzichten muss. Dafür bliebe nämlich schlichtweg keine Zeit, wenn man bedenkt, dass Arbeitnehmer in der Regel auch noch Anfahrtswege zur Arbeit haben und gelegentlich etwas essen müssen.

An Grundprinzipien des Arbeitnehmerschutzes festzuhalten, bedeutet nicht, auf „veralteten“ Arbeitszeitmodellen zu beharren. Die Wirtschaftsweisen tun fast so, als sei es nicht schon heute gang und gäbe, dass Beschäftigte unbezahlte Überstunden leisten oder im Urlaub ihre Geschäftsmails abrufen. Der DGB beziffert die Zahl der 2016 in Deutschland angehäuften Überstunden auf 1,8 Milliarden, „die Hälfte davon unbezahlt“. Angesichts dieser Zahlen den Arbeitnehmerschutz weichspülen zu wollen, ist ein Schlag ins Gesicht derjenigen, die jetzt schon am Limit sind.

Wie wäre es stattdessen mit Flexibilität im Sinne der Lebensqualität? Flexibilität, die Arbeitnehmer motiviert und dem Arbeitgeber keine Einbußen, sondern bestenfalls sogar wirtschaftlichen Erfolg einbringt? Statt die acht Stunden in Frage zu stellen, könnte man sie so auf den Tag verteilen, dass es der biologischen Uhr oder auch der Kinderbetreuung entgegenkommt. Und wenn wir schon alle ständig online sind: Warum nicht auch das als Chance nutzen, um das Arbeiten von zu Hause aus auch für Angestellte salonfähig zu machen? Und ganz nebenbei könnte es das moderne Deutschland auch endlich schaffen, das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit einzuführen. Flexibles Arbeiten eben. Ein Modell, von dem sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer profitieren. Das muss kein schöner Traum bleiben.

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