Kommentar zur Ampel Bundesregierung nur noch bedingt handlungsfähig

Meinung · Die Ampel-Koalition ist aktuell auf vielen Politikfeldern in Zerstrittenheit erstarrt. SPD, Grüne und FDP haben erkennbar gemeinsame Ziele und mögliche Lösungen aus den Augen verloren. Die Bundesregierung ist damit nur noch bedingt handlungsfähig.

Kommentar:  Bundesregierung nur bedingt handlungsfähig
Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen/IMAGO/Chris Emil Janssen

Darüber konnten auch die netten Worte und das Eigenlob des Kanzlers zum Abschluss der Kabinettsklausur in der vergangenen Woche nicht hinwegtäuschen. Drängende Fragen blieben in Meseberg unbeantwortet und zu wichtigen Streitthemen wie Kindergrundsicherung, Öl- und Gasheizungen, Verbrennermotoren oder Autobahnen gab es trotz der inszenierten Harmonie keine erkennbaren Annäherungen. Worauf Olaf Scholz seinen Optimismus für „mehr Tempo und Zuversicht“ gründet, bleibt sein Geheimnis. Laut Berechnungen der Süddeutschen Zeitung sind derzeit rund 30 Gesetzesvorhaben blockiert, weil jeweils mindestens einer der drei Koalitionspartner dagegen ist. Das ist nicht Tempo, sondern Stillstand.

Nach der Kabinettsklausur ist vor dem Koalitionsausschuss. Mit Blick auf diesen Termin Ende des Monats lastet auf der Ampel jetzt ein hoher Einigungs- und Erfolgsdruck. Noch ein Treffen der Koalitionsspitzen ohne greifbare Ergebnisse zu wichtigen Themen wäre in der aktuellen Situation ein politischer Offenbarungseid.

Gerne werden Christian Lindner und seine FDP für Streit und Stillstand verantwortlich gemacht. Völlig unbegründet ist das nicht. Nach bitteren Niederlagen bei Landtagswahlen und seit Eintritt in die Bundesregierung nahezu halbierten Umfragewerten setzen die Liberalen auf plakativere Profilierung und heizen vorhandene Konflikte wie bei Atomkraft, Verbrenner oder Tempolimit immer wieder an und erschweren so die Verständigung.

Und jetzt hat der Bundesfinanzminister auch noch bei den Eckpunkten für den Bundeshaushalt die Notbremse gezogen. Der für diese Woche geplante Kabinettstermin ist auf unbestimmte Zeit verschoben. So kann im Extremfall die Arbeit der Bundesregierung lahmlegt werden. Denn dauert der Ampel-Streit über die Einzeletats länger, fehlt die finanzielle Basis für Gesetzesvorhaben.

Dennoch sollten alle Steuerzahler Lindner für diese Eskalation dankbar sein. Ist sie doch ein klares Zeichen gegen Steuererhöhungen, die in der Folge unvermeidbar wären. Der Warnschuss ist berechtigt. Ein zusätzlicher Finanzbedarf von 70 Milliarden Euro ist ohne Einsparungen an anderer Stelle schlicht maßlos. Lindner ist ein wichtiges Korrektiv für Grüne und SPD, die allzu oft eine gute Sache im Blick haben und dabei Kosten und Folgeprobleme übersehen. Hier ist sein Gegenspieler Robert Habeck, der mit seinen unzähligen Verbots- und Förderprogrammen sich, sein Ministerium und das Land überfordert, ein großer Problemfall - aber nicht der einzige.

Verbale Abrüstung, Konzentration auf das Wesentliche und die Bereitschaft zur Verständigung sind deshalb das Gebot der Stunde. Wer nicht über Geld streitet, hört auf, Politik zu machen. Wer aber in einer Koalition aus dem Streit heraus keine sinnvollen und tragfähigen Kompromisse entwickelt, verliert die Regierungsfähigkeit.

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