Buch, Film, Essen Wirrer Bewertungswahn

Früher fühlten sich Menschen manchmal versehentlich richtig wohl, wussten aber überhaupt nicht, wie gut sie es hatten – zumindest nicht auf einer Skala von eins bis zehn. Denn sie mussten es nicht bewerten.

Wirrer Bewertungswahn
Foto: picture alliance / dpa/Tobias Hase

Heute jedoch darf niemand ein Buch, einen Film, ein Restaurant  oder einen Urlaub einfach genießen – ohne hinterher dafür Sterne zu vergeben oder in sonstiger Form großflächig seinen Senf dazuzugeben. Denn nur dann wissen schließlich die anderen, dass er das wirklich, wirklich in echt erlebt hat. Stiller Genuss allein dagegen ist hoch verdächtig. Würde Descartes heute leben, hieße seine Weisheit also nicht: „Ich denke, also bin ich“ (höchstens drei Sterne). Sondern „Ich bewerte, also bin ich“ (zehn Sterne).

Das bedeutet natürlich nicht, dass am ständigen Bewerten keine Kritik geübt werden darf. Es muss nur richtig geschehen. Nicht etwa mit sachlichen Argumenten oder stillem Unmut. Sondern dadurch, dass das Bewerten herabgestuft wird. Ungefähr auf eineinhalb Sterne. Höchstens.

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