Glosse La dolce vita in Quarantäne

An der Kasse im Supermarkt frage ich mich, ob ich ein schlechter Vater bin.

Glosse: La dolce vita in Quarantäne
Foto: SZ/Robby Lorenz

Der Mann vor mir stopft gerade zwei Dosen Linseneintopf in den Einkaufsbeutel. Sein Sohn schaut vertrauensvoll zu ihm auf.

Mich haben die leeren Regale so verwirrt, dass der Wocheneinkauf missglückt ist – sehe ich auf dem Kassenband. Da wird das Geschrei groß sein, auch ohne Coronavirus. Umkehren unmöglich, zu lange ist die Schlange der Hamsterkäufer. Ich könnte ja eine Panik auslösen.

Linseneintopf? Essen die Kinder auch in Quarantäne nicht, sage ich mir. Ein Konflikt weniger, sollte der Katastrophenfall eintreten. Ob die Deutschen nun vorausschauend oder verängstigt sind? Jedenfalls scheint sich ihre Esskultur verändert zu haben. Eintöpfe zu horten, das erscheint wie ein teutonischer Anachronismus. Kiloweise schleppen die Leute hier Nudeln und passierte Tomaten nach Hause – la dolce vita in häuslicher Quarantäne!

Sollte ich jemanden in der Schlange fragen, ob die Spaghetti im Einkaufswagen aus einem Risikogebiet in Italien stammen? Nein. Wenn ich schon kein guter Vater bin, dann wenigstens ein freundlicher Mitbürger.

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