Kolumne Erst mal um die Kekse bitten

Wonach hätten wir unsere Großeltern gefragt, wenn wir damals schon erwachsen gewesen wären – aber wir waren ja noch Kinder. Und deshalb waren uns Süßigkeiten wichtiger als Lebensweisheiten

Kolumne: Erst mal um die Kekse bitten
Foto: SZ/Robby Lorenz

Vor zwei Jahren habe ich auf Reisen eine weit über 80-jährige Frau kennengelernt und mit ihr bis heute sporadisch per Mail Kontakt gehalten. Vor zwei Tagen wünschte ich ihr einen guten Rutsch und bat um etwas Lebenserfahrung, allgemeine Empfehlung für mich von einer, die die Welt gesehen hat und mit imponierender Nüchternheit von ihren Operationen berichtet. Ihre Antwort strotzte nur so vor leidenschaftlicher Morbidität. Magische Worte, die ich aber für mich behalten werde.

Ich habe schon ein gewisses Alter erreicht, und meine Großeltern gibt es nicht mehr. Das sind nun mal die Regeln der Zeit. Als der Letzte von ihnen starb, war ich im Kopf noch ein Kind, und deswegen habe ich ihnen viel öfter die Frage gestellt, ob ich noch einen von diesen Keksen haben könnte, als irgendwas hochtrabend Philosophisches. Völlig analytisch, ohne jede Sentimentalität, würde ich jetzt schon gerne wissen, was sie mir gesagt hätten, wenn ich mit ihnen in meinem jetzigen Alter gesprochen hätte und sie in mir auch nicht ihren Enkel gesehen hätten, der gleichzeitig süß lächeln und mit voller Wucht den Ball in die Blumen schießen kann. Mit den Augen meiner Eltern weiß ich ungefähr, wie sie sich als Erwachsene unter Erwachsenen gaben, und die Antworten meiner Großeltern würden wahrscheinlich so bunt ausfallen, wie sie selbst es waren. Und fertig. Da ist kein Platz für Klischees. Wahrscheinlich würde ich heute Luft holen und – erst mal um die Kekse bitten. Und dann ist immer noch Zeit für magische Worte.

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