Zum Tod des großen Augenmenschen und Dichters John Berger

Paris · Was John Berger, der nun im Alter von 90 Jahren in seinem Haus im Pariser Vorort Antony gestorben ist, zu einem besonderen Künstler machte, das war seine große Gabe, uns umgebende Erscheinungen grundlegend zu befragen. Sieht man sich auf youtube noch einmal seine vierteilige BBC-Serie "Ways of seeing" von 1972 an, hat man einen Eindruck von Bergers raffiniertem Denken, seinem Durchdringungstalent. "Ways of seeing" lebte davon, dass Berger unsere abendländischen Sehgewohnheiten einer radikalen Kritik unterzog. Dem deutschen Publikum machte der langjährige Hanser-Verleger Michael Krüger Berger später als Essayisten und Lyriker bekannt. Vor kurzem erschien dort nochmals Bergers Trilogie "Von ihrer Hände Arbeit" über das verschwindene bäuerliche Leben. In den Savoyer Alpen, wohin der 1926 nahe London geborene große Stilist und Wahrnehmungskünstler sich lange zurückzog, lernte er den Rhythmus bäuerlichen Lebens kennen und lieben.

Berger war ein Rebell wider die Welt der Konventionen. Und Augenmensch durch und durch: Mit dem Maler John Christie unterhielt er einen Briefwechsel über das Wesen von Farben, der 2001 unter dem Titel "I send you this Cadmium Red" als Buch erschien und eine Schule des Sehens ist. Berger beschrieb Cadmium Rot darin als jene Farbe, die Zehnjährige bei geschlossenen Augen sehen. Wunderbar. Berger hinterlässt ein reiches Werk - etwa "The Seventh Man", sein (mit dem Fotografen Jean Mohr) 1975 verlegtes Buch über Arbeitsmigranten in Europa mit vielen Déjà-vus.

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