Zivilcourage als Gewissensfrage

Saarbrücken · Rike Reinigers Stück „Name: Sophie Scholl“ handelt von Zivilcourage und verwebt die historischen Ereignisse um die Widerstandskämpferin Sophie Scholl mit der aktuellen Gewissensfrage einer gleichnamigen Jura-Studentin, die vor Gericht aussagen muss und damit ihre Karriere gefährden könnte.

 Beeindruckend: Nina-Mercedés Rühl spielt die beiden Sophie Scholls. Foto: Kerstin Krämer

Beeindruckend: Nina-Mercedés Rühl spielt die beiden Sophie Scholls. Foto: Kerstin Krämer

Foto: Kerstin Krämer

Stapelweise Akten stehen auf der kargen Bühne des Theaters Überzwerg. Hinter einer durchleuchteten Spiegelwand eine junge Frau: Sophie Scholl. Nein, nicht "die" Sophie Scholl, sondern eine Jurastudentin von heute. Sie heißt bloß genauso, Gemeinsamkeiten gibt es nicht. Aber auch sie steht vor Gericht, als Zeugin. Sie ist in einen Betrugsfall an ihrer Uni verwickelt und hat nun die Wahl: reden und einem Menschen helfen oder schweigen und die eigene Karriere befördern.

Rike Reinigers fundiertes Stück "Name: Sophie Scholl" unter der Regie von Stephanie Rolser, verwebt zwei Leben, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Das der Widerstandskämpferin Sophie Scholl, die in der NS-Zeit wegen ihres unbedingten Einsatzes für Gerechtigkeit und Freiheit ihr Leben ließ ("Die weiße Rose"), und das der Jurastudentin Sophie Scholl, die sich durch die Bürde ihres Namens unter Druck gesetzt fühlt. Desto mehr, als eine Uni-Sekretärin unter Verdacht gerät, Prüfungsunterlagen verkauft zu haben. Der Täter aber ist Sophies Professor, bei dem sie ihr Examen ablegen will. Ist es nun aus mit ihrer Zukunft?

Nina-Mercedés Rühl spielt in dem Einpersonenstück beide Frauen mit beeindruckender Energie, nahezu hyperaktiv atemlos. Sie macht mit jeder Geste, jedem herausgepressten Satz deren Anspannung und Hadern in einem schweren Konflikt deutlich. Zwischen den Papiertürmen entfalten sich zwei Leben, zugleich schaut Autorin Reiniger hinter den Mythos Sophie Scholl. Sophie ist sicher, ihre Namensvetterin war nicht nur Heldin. Sie war auch einfach ein Mädchen, begeisterungsfähig, verliebt, eigenwillig. Rühl spielt ihre Lebensfreude anrührend intensiv. Dabei wandeln sich die immer wieder umsortierten Aktenpakete zu Anklagebänken, zu Bergen, als Sophie mit Fritz Hartnagel im Urlaub ist, zu Salonmöbeln, zwischen denen sie tanzt, zur Balustrade ihrer Uni, wo sie mit Hans Flugblätter gegen Hitler hinunterwirft. Auf der Bühne lässt Rühl Akten fliegen. Die Akten werden schließlich zur Bank des Scharfrichters, auf der Sophie Scholl guillotiniert wird.

So wie uns die Spiegelwand reflektiert, spiegeln wir uns im Leben der beiden Sophies und überdenken, wie wir handeln würden (Bühne/Licht/Ton: Andreas und Thomas Braun). Jurastudentin Sophie erkennt, es geht hier nicht um Leben und Tod, sondern darum, aufrecht gehen und sich selbst ins Gesicht schauen zu können. Das Stück wirkt nach, nicht zuletzt dank einer quirligen Nina-Mercedés Rühl, die die Suche junger Menschen nach dem eigenen Weg greifbar macht. Viel Applaus im ausverkauften Saal.

ueberzwerg.de

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