Godard und ein Frauenmarsch in Cannes Zeigen, „was man nicht auf Facebook sieht“

Cannes · Jean-Luc Godard, der große alte Querdenker des Kinos, hat seinen jüngsten Film in Cannes vorgestellt.

Er vergleicht das Kino mit einem „kleinen Katalonien, das um seine Existenz kämpfen muss“ und findet, dass Filme das zeigen sollten, was „man nicht auf Facebook sieht“. Jean-Luc Godard (87) ist der große alte Mann des europäischen Kinos und so sehr Legende, dass er noch nicht einmal selbst nach Cannes reisen muss, um das Festival in Atem zu halten. Sein jüngster Film „Le livre d‘image“ läuft im Wettbewerb, und Godard stellte sich auf einer Pressekonferenz den Fragen der Journalisten: Godard gab per iPhone Auskunft, das von einem Festivalmitarbeiter vor ein Mikrofon gehalten wurde. Schillernd zwischen bedeutsamem Raunen und wohl formuliertem Nonsens fielen die Zitate aus.

So funktioniert auch Godards Film, in dem er das Drehen mit Schauspielern nun völlig für die Montage von „found footage“ aufgegeben hat. „Gefunden“ hat Godard sein Material dabei sowohl in den Filmarchiven mit Ausschnitten aus eigenen und fremden alten Produktionen als auch auf Youtube. In einer der polemischsten Sequenzen des Films schneidet Godard Kino-Gewalt und IS-Videos gegeneinander. Geraunt wird da vom „Glück der Araber“ und der Revolution, auf deren Seite man steht. Doch im Puzzle des Collagierens verliert die politische Aussage sogleich wieder Kontur. Es ist, als wolle Godard endlich allen die Meinung sagen, aber auf eine Aussage festlegen lassen möchte er sich nicht.

Tags drauf demonstrierte ein Marsch mit 82 Frauen, angeführt von Jury-Präsidentin Cate Blanchett, für Gleichberechtigung. Die Zahl ist symbolisch: Nur 82 Regisseurinnen gegenüber 1688 männlichen Kollegen seien in 71 Jahren Cannes über den Roten Teppich gelaufen. Drei Regisseurinnen (und 18 Regisseure) sind 2018 im Wettbewerb. Mit Eva Hussons „Girls of the Sun“ hatte der erste  „Frauenfilm“ am Samstag Premiere. Er erzählt nach wahren Motiven von einem kurdischen Frauenbataillon im Syrienkrieg, das sich aus ehemals gefangenen Frauen zusammensetzt. Das wenig inspirierte Drehbuch setzt auf melodramatische Effekte, indem es herausstellt, dass die Frauen Mütter sind und, wenn sie zur Waffe greifen, das mit viel Gefühl tun. Die komplizierte politische Lage blendet Husson völlig aus – ein schwacher Wettbewerbsfilm.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort