Wie Trump den Populismus zur Staatsräson gemacht hat

Berlin · Der in Cambridge lehrende Historiker hat Trumps Politik über 30 Jahre verfolgt und darüber das Buch „Wir hätten gewarnt sein können“ verfasst.

 Studierte Trumps Äußerungen von 1980-2017: Brendan Simms. Foto: dpa

Studierte Trumps Äußerungen von 1980-2017: Brendan Simms. Foto: dpa

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Rechtzeitig zur 100-Tage-Bilanz Donald Trumps erscheint ein 30-Jahre-Resümee seiner politischen Rhetorik. Der in Cambridge lehrende irische Historiker Brendan Simms und sein Kollege vom Londoner King's College und der University of Texas, Charlie Laderman, verfassten die zeithistorische Studie "Wir hätten gewarnt sein können". Ihr schmales Buch besteht aus zwei Teilen: in einem ersten zählen sie zentrale politische Äußerungen Trumps seit den frühen 80er auf. In einem zweiten versammeln sie ihr zeitgeschichtliches Urteilsvermögen und konkretisieren die Warnung im Titel.

Sie haben Ihrem Buch über Donald Trumps Sicht auf die Welt den Titel gegeben "Wir hätten gewarnt sein können". Wovor eigentlich?

Simms: Wir haben uns viele politische Stellungnahmen Trumps aus den letzten 35 Jahren angesehen und haben eine verblüffende Kontinuität seines Populismus feststellen können. Sie besteht aus zwei Komponenten: Nationalismus und sozialen Versprechen. Beides hängt miteinander zusammen. Trumps Nationalismus geht davon aus, dass die Verbündeten für den militärischen Schutz, den ihnen die USA bieten, nichts bezahlen, dass sie den Schutzpatron im Gegenteil im Handel übervorteilen. Diese Kosten, forderten die USA sie ein, könnten den Arbeitern und Farmern der USA ein besseres Leben ermöglichen. Es könnten mit dem Geld Straßen und Schulen gebaut werden. Die USA könnten dann - wie Trump sagt - den Status eines Entwicklungslandes verlassen. Er greift also soziale Missstände und Defizite der Infrastruktur geschickt auf und fordert die Kosten dafür von den Verbündeten und den Handelspartnern ein.

Ist es nicht erstaunlich, wie lange sich Trump als Wirtschaftsmogul in die Außenpolitik der USA mit eigenen Statements eingemischt hat?

Simms: Ja, wir waren überrascht, dass Trump seit über 30 Jahren sehr medienwirksam die amerikanische Öffentlichkeit angesprochen hat. Es ist, als ob er seit Jahrzehnten im permanenten Wahlkampf stand. Sein politisches Credo ist immer gleich geblieben: Die Welt lacht über Amerika, seine Präsidenten sind unfähig und können nicht verhandeln, sie lassen sich auf der Nase herumtanzen und verschleudern den Reichtum Amerikas, der im Innern fehlt, um sozialen und gesellschaftlichen Reichtum zu erzielen.

Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert. Bleiben Trumps Ansichten gleich?

Simms: In seinen Grundüberzeugungen bleibt er konstant. Im Detail passt er seine Aussagen den veränderten Bedingungen an. War es am Anfang vor allem Japan, dem er vorwarf, mit seinen billigen Waren den US-Markt überschwemmt zu haben und sich praktisch kostenlos von den USA militärisch beschützen lassen - was übrigens nicht stimmt, denn Japan hat viel dafür bezahlt - so richtet sich der Vorwurf, unzulässige Handelsvorteile gegenüber den USA zu ziehen, jetzt gegen China. Gegenüber dem Öl-Kartell der Opec ist seine Haltung gleichgeblieben, wegen des stark gesunkenen Öl-Preises aber weniger aggressiv. Gegenüber Iran besteht seine aggressive Ablehnung ungeachtet aller Veränderungen dort nach wie vor. Die Nato hält er für ein Subventionsgrab, wenn die europäischen Partner nicht mehr für ihre Verteidigung ausgeben. Putin bewundert er, die Annexion der Krim einen Tag nach Beendigung der Olympischen Spiele in Sotschi hält er für einen genialen Schachzug Putins.

Stimmt es, dass die großen Konzerne den Wahlkampf von Trump finanziert haben?

Simms: Vielleicht, jedenfalls aber weniger als sie Hillary Clinton unterstützt haben. Trumps Wahlkampf hat weniger gekostet als der seiner Gegnerin. Er brauchte auch weniger für seine Medienpräsenz auszugeben, die Zeitungen und Fernsehstationen kamen zu ihm und wollten seine Statements haben. Sie waren zwar überwiegend gegen ihn eingestellt, verschafften ihm aber - kostenlose - Auftritte.

Beobachten wir nicht ähnliches bei Le Pen oder bei der Berichterstattung über Pegida oder die AfD?

Simms: Ja, es ist überall dasselbe. Die Medien verschaffen der Sensation, die sie eigentlich ablehnen, überproportionale Aufmerksamkeit und erreichen mit dem so transportierten Populismus breite Schichten der Bevölkerung.

Brendan Simms und Charlie Laderman: "Wir hätten gewarnt sein können". Donald Trumps Sicht auf die Welt. Aus dem Englischen von Klaus-Dieter Schmidt, DVA, 157 Seiten, 12 €. Das Gespräch führte Harald Loch.

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