Wie sich bildhaften Saarlouiser Erinnerungen nachhorchen lässt

Saarlouis · Fast ein Jahr lang hatten sie geprobt, am Wochenende war nun im Theater am Ring Premiere für Alfred Guldens mit 60 Laien einstudiertes Saarlouis-Stück „Silberherz“. Die Sprecher saßen auf Stühlen gereiht, erhoben sich für ihre Beiträge und trugen die im Ton sehr klaren, humorvollen, oft nachdenklichen, manchmal bitteren Zeilen vor. Unterm Strich ein eindrücklicher Abend, der nach der Pause an Kontur gewann.

 In der Rolle des „kleinen Franzosen“: der neunjährige Samuel Hoffmann. Foto: Thomas Seeber

In der Rolle des „kleinen Franzosen“: der neunjährige Samuel Hoffmann. Foto: Thomas Seeber

Foto: Thomas Seeber

Alfred Gulden hat seinen Saarlouis-Roman noch nicht fertig geschrieben, "all diese Stimmen in meinem Kopf," sie reden wohl durcheinander. Für "Silberherz" hat er sie diszipliniert und einen Romanauszug als "ein Stück für viele Stimmen" im Theater am Ring in Saarlouis auf die Bühne gebracht. Seit Januar probte der Sprechprofi Gulden mit aus den unterschiedlichsten Berufen kommenden Laiendarstellern. Nun steht er vor dem 60-köpfigen Sprechchor und gibt die Einsätze.

33 Einzelstimmen, die sich aus der Menge lösen und sagen, wer sie sind, zum Beispiel "ich bin der kleine Zirkusjunge," den es wie alle anderen zum Leben erweckten Figuren wirklich gab - er starb zwölfjährig in der Manege - oder wie die Bäume noch gibt: "Wir sind die Kastanien, die längste Allee im ganzen Land."

Ein wenig mutet der Sprechprofi Gulden wie ein Sektenführer oder Priester an, wenn er im ersten Teil die "Gemeinde" anspricht und diese exakt getaktet antwortet. Als gut katholisch erzogener Bub habe er gerne Heilige Messe gespielt oder Platanen als strammstehende Soldaten befehligt, so wie er das aus der Garnisonsstadt halt kannte, erzählt Gulden. "Silberherz" entfaltet einen Bilderbogen, der für die Saarlouiser Bürger großen Wiedererkennungswert hat. Sie kenne das Grab von Chim Bébé, erzählt eine Dame aus Bous in der Pause, die sich wie viele andere freut, die Geschichte des "Hausmohren" zu hören und festgehalten zu wissen.

Szenenapplaus bekommt der "kleine Franzose" ("ich sage ose statt Hose"), der wie das "Mitbringsel aus Afrika" auch für die beglotzen Fremden steht. Der tragische Einsturz eines Gasthauses wird szenisch gemeistert, wobei Besucher, die in einem Theater mehr "action" auf der Bühne erwarten, sicher enttäuscht waren. Die Sprecher sitzen auf Stuhlreihen, erheben sich, wenn sie an der Reihe sind und tragen die im Ton sehr klaren, humorvollen, oft nachdenklichen, manchmal bitteren Zeilen vor. Beeindruckend gelingt auch das gemeinsame Sprechen oder Flüstern, das zu großer Intensität anschwillt - "seh ich's bucklicht Männlein stehen . . ."

Vor allem im zweiten Teil bekommen die Bilder Kontur, wird klar, dass Gulden den vermutlich oft bildhaften Erinnerungen nachgehorcht hat. Dem wunderlichen "Friedhofsindianer", einem Spätheimkehrer, legt er die Worte "das Lager in Russland war mir mehr Heimat als manches hier" in den Mund. "Von Bürgern für Bürger", dieses Versprechen lösen der Stadtschreiber und Saarlouiser Alfred Gulden und die engagierten Sprecher mit diesem Gemeinsamkeit stiftenden Werk ein.

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