Wie man mit 60 000 Euro ein Stück Kinogeschichte schreibt

Saarbrücken · Ihr im Dokuwettbewerb stehender Low-Budget-Film „Original Copy“ ist eine große Hommage ans Kino. TV-Sendeplätze für solche Kleinode fehlen, sagen Florian Heinzen-Ziob und sein Vater Georg Heinzen.

 Plakatmaler Sheikh Rehman in seinem Element. Foto: polyphem

Plakatmaler Sheikh Rehman in seinem Element. Foto: polyphem

Foto: polyphem

Es wollten, erzählen Florian Heinzen-Ziob und sein Vater Georg Heinzen, schon manch andere im "Alfred Talkies" in Mumbai drehen, dem ältesten Kino Westindiens. Kein Wunder bei dem bezwingenden Charme eines Lichtspieltheaters, in dem der Filmvorführer noch mit dem Weihrauchkessel morgens umherwandelt und Saal, Tresor und Personal segnet und der Plakatkünstler Sheikh Rehman mit seinen Untergebenen in filigraner Pinselarbeit meterlange Banner malt. Die beiden Rheinländer erhielten Ende 2012 eine Drehgenehmigung. Beider Sternzeichen gaben dafür am Ende mit den Ausschlag - eine astrologische Prüfung, die die Besitzerin veranlasste, fiel, sagen sie, günstig aus.

Fünf Wochen nisteten sich Vater und Sohn im "Alfred" mit ein, näherten sich behutsam diesem lebenssatten Mikrokosmos voller Patina, ließen ihre Kamera laufen. "Irgendwann hatten sie uns vergessen", sagt Florian Heinzen-Ziob - weil sie gewissermaßen dazugehörten. 70 Stunden sammelten sie auf ihrer Red Scarlet 4K in dieser Zeit. Jeden Abend luden sie den Chip auf ihre Rechner, die so heiß liefen, dass sie sie mit Ventilatoren kühlen mussten. Ihre entstandene 95-minütige Doku "Original Copy" ist eine hinreißende Hommage an den Sehnsuchtsort Kino und ein intimes Porträt des, so die Regisseure, letzten Plakatmalers Mumbais. 19 Ruppies (25 Cent) kostet der Eintritt im "Alfred". In Central-Mumbai in einer alten Vergnügungstraße gelegen, wo es früher 20 Kinos gab, heute drei. Ein auch für Arme erschwingliches Kino, in dem "Masala Movies" laufen: Action mit dick aufgetragenen Emotionen mischender Trash der 80er, 90er.

60 000 Euro kostete der Film von Vater und Sohn Heinzen, finanziert aus diversen Fördertöpfchen. Für 2500 Euro ließen sie ihn vor Ort auf Englisch untertiteln. Seit letzten April läuft er nun auf Festivals, in Mumbai in einer tränenreichen Aufführung mit Sheikh Rehman in der letzten Reihe. In Toronto zahlte man ihnen zur Weltpremiere drei Digitalkopien. Ob ihr Film es je ins Fernsehen schafft? Für nicht-journalistisch angelegte Dokus gibt es da kaum Sendeplätze. Im Übrigen: Selbst große Anstalten wie der WDR würden nur 10 000 Euro zahlen. 1500 Euro bot Singapur Airlines ihnen, um "Original Copy" einen Monat lang im Bordprogramm zu zeigen - so sieht die Realität von Dokufilmern aus. Während sich der Sohn, der in Köln Regie studierte, bislang mit alimentierten Schülerfilmprojekten durchschlug, lebt der Vater als Drehbuchautor. Sofern man mal ein TV-Moviescript unterbekomme, lasse sich ein Jahr gut überbrücken, sagt er. Ein dieser Tage publiziertes Pamphlet der Drehbuchautoren, das ihre schlechte Vergütung und das mediale Ignorieren ihrer Leistung kritisiert, spricht den Heinzens aus der Seele: Anders als in den USA würden Drehbuchautoren bei uns "missachtet". Abseits von Festivals gilt das für Dokufilmer meist auch.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort