Literatur Wie Diogenes die Rechte an Simenons Werk verlor

Saarbrücken/Zürich · 40 Jahre lang betreute der Zürcher Verlag das Werk des Belgiers, der mehr als nur „Maigret“-Romane schrieb – nun ist Schluss damit.

 Georges Simenon, hier in einer Aufnahme von Ende 1981. Sein Gesamtwerk soll sich weltweit 500 Millionen Mal verkauft haben. 

Georges Simenon, hier in einer Aufnahme von Ende 1981. Sein Gesamtwerk soll sich weltweit 500 Millionen Mal verkauft haben. 

Foto: dpa/-

Zu Lebzeiten war Georges Simenon ein Meister der Selbstvermarktung und dazu von einer beispiellosen Produktivität. Als der vor allem als Autor der legendären „Maigret“-Romane berühmt gewordene Mann aus Lüttich 1989 mit 86 Jahren starb, hinterließ er neben 75 Maigrets 100 weitere, teils hinreißende Romane, dazu zahllose Groschenromane, Erzählungen und ferner unter Pseudonym verfasste Trivialwerke. Eine hübsche Geschichte erzählt, dass Simenon in den späten 20ern, um die eigene Bekanntheit anzukurbeln, den Plan hegte, einen Fortsetzungsroman in Paris vor aller Augen in einem Glaskäfig zu verfertigen – angeblich verhinderte nur die Liquidation der ihn dafür beauftragenden Zeitung die Umsetzung. Es hat dann auch ohne diese Selbstinszenierung zur Berühmtheit gereicht. Die weltweite Gesamtauflage seiner Werke wird auf sagenhafte 500 Millionen Ausgaben geschätzt.

Im deutschsprachigen Raum hatte der Zürcher Diogenes Verlag seit 40 Jahren die Rechte an Simenons Werk und damit gewissermaßen eine Lizenz zum Gelddrucken. Simenon verkaufte sich immer. Daniel Keel, der 2011 gestorbene und seither von seinem Sohn Philipp ersetzte Verleger, aber kümmerte sich auch in vorbildlicher Weise um die Pflege von Simenons Werk. Als der Verlag 1994 seine 218-teilige Gesamtedition abschloss, fing man quasi (Passion und Geschäftssinn paarend) nochmal von vorne an und brachte Simenon Jahr für Jahr in neuer Aufmachung oder Übersetzung neu auf den Markt. Das hätte wohl ewig so weitergehen können.

Doch nun hat Diogenes die Rechte am Werk Simenons verloren. Ausgerechnet an einen langjährigen Ex-Angestellten: Daniel Kampa, der bei Diogenes zeitweilig Keels Assistent war und 2013 dann die Leitung des Traditionsverlags Hoffmann & Campe übernahm. Dort ist Kampa unlängst demissioniert, um seinen eigenen Verlag zu gründen. Kampa wird er heißen und ab Herbst 2018  das Werk des belgischen Altmeisters im Schaffens größter Atmosphäre mit kleinsten Mitteln neu herausgeben. Kampa verspricht neben der Neu-Edition der Non-Maigrets mit Nachworten namhafter Autoren und Kritiker auch die Herausgabe bislang unveröffentlicher Simenon-Werke, darunter sein journalistisches Frühwerk und Erzählungen aus seinen literarischen Anfangsjahren.

Weshalb Simenons zweitältester Sohn John, der über seine Firma Georges Simenon Ltd. mit der britischen Agentur Peters, Fraser & Dunlop die Weltrechte am Werk seines Vaters hält, Diogenes ausgebootet hat, darüber lässt sich nur spekulieren. Möglicherweise schien dem Sohn das Werk bei Kampa, der Simenon noch persönlich kannte, in besseren Händen als in denen von Daniel Keels Sohn Philipp. In einem Radio-Interview hat Kampa daran erinnert, dass Daniel Keel in den 60ern Simenons ursprünglichem deutschen Verlag Kiepenheuer & Witsch die Simenon-Rechte „abgeluchst“ habe, um ihn dann in seinem eigenen Verlag zu hofieren. Ganz wie nun Kampa selbst

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