Was ist das nur, diese Liebe, die einen so ergreift?

Forbach · Der flämische Choreograf Wim Vandekeybus ist bekannt dafür, dass er seine Tänzer zu Extremen treibt. Bei ihrem Forbacher Gastspiel bot die Compagnie denn auch Raserei satt, passend zum Thema des Abends „amour fou“.

 Blind, die Köpfe verhüllt, umkreisen sich Vandekeybus' Paare oder ziehen an Seilen. Foto: Danny Willems

Blind, die Köpfe verhüllt, umkreisen sich Vandekeybus' Paare oder ziehen an Seilen. Foto: Danny Willems

Foto: Danny Willems

Wenn Wim Vandekeybus sich des Themas Liebe annimmt, erwartet man, dass es auf der Bühne alles andere als romantisch, zart oder leise zugeht. Denn der flämische Choreograf hat den Ruf, seine Tänzer in Extreme zu treiben und den Berserker im Menschen zu entfesseln. Die Aufforderung "Speak low, if you speak love", die Shakespeare'sche Verszeile aus "Viel Lärm um nichts", die den Titel seines neuesten Tanzstücks abgibt, erscheint da zunächst wie reine Ironie. Raserei satt bot denn auch Vandekeybus' formidable Compagnie Ultima Vez bei ihrem Gastspiel im Forbacher Le Carreau, das am Montag zu sehen war.

Man springt sich an, fällt übereinander her, packt den anderen rüde am Arm und stößt mitunter Schreie aus, die direkt aus den Eigenweiden zu kommen scheinen. Doch mit solcher Art Ekstase allein ließe sich kein Abend füllen. Was ist das nur, Liebe, dieses Gefühl, das einen ergreift? Fragt Vandekeybus. In seinen Variationen über "amour fou", über Leidenschaft bricht er eine Lanze für ihre Unerklärlichkeit und ihre Kapriolen. Insofern ist er von Shakespeare gar nicht so weit entfernt. Blind, die Köpfe mit Gaze-Stoff verhüllt, umkreisen sich hier bisweilen die Paare. Tutu Puoane, die Sängerin mit der schwarzen Stimme in allen Schattierungen, wieselt wie ein weiblicher Prospero durch die Szenen, treibt an, lenkt insgeheim und zieht Strippen. Nebel steigt auf, neben langen Seidenvorhängen sorgen Bambushecken nicht bloß für eine geheimnisvoll-exotische Atmosphäre, sie fangen auch, wie bei Shakespeare, zu trippeln an, um Paare, die sich mit fallenden Höschen necken, zu trennen.

Ja, auch der komischen Seite der Passion räumt Vandekeybus - zum Glück - Platz ein, lässt die Tänzer in Frauenkleidern steppen und wie Vampire in Särge flüchten. Auch Mythen ruft er auf den Plan. Ein Odysseus, hier von Wikinger Gestalt, zieht schnaubend auf einem Schlitten mit lebender Galionsfigur Kreise, wird fast verrückt vom süßen Ton der Sirene - und wird dann vor ihr weggeboxt. Eine Entdeckung für sich ist der Rockmusiker Mauro Pawlowski. Der Flame lässt es mit seinen zwei Mitmusikern nicht nur passend wummern oder jaulen, er singt mit seiner Whiskey-Stimme auch wunderbar den Blues. Nur einen Schwachpunkt hat der Abend: Er ist rund 20 Minuten zu lang. Am Anfang und am Ende werfen die Tänzer Seile ins Publikum aus, um es zu fangen. Ein netter Gag, aber unnötig, das gelang der Truppe auch so.

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