Zum Tod von Tom Wolfe War er „Amerikas größter Satz-für-Satz-Angeber“?

New York · US-Autor Tom Wolfe („Fegefeuer der Eitelkeiten“) ist gestorben – für die einen ein Genie, für die anderen ein eitler  Selbstdarsteller.

Ganz in Weiß, mit Maßanzug und Hut – so spazierte Tom Wolfe bis zuletzt noch hin und wieder durch sein New York, durch seine Upper East Side. Langsam, aber stolz und aufrecht. Spätestens seit seinem Welterfolg „Fegefeuer der Eitelkeiten“ in den 80ern galt Wolfe als fester Teil des Literatur-Olymp.

Polarisiert hat er immer. Millionenfach verkaufte Bücher und treue Fans auf der einen Seite, scharfe Kritik des literarischen Estab­lishments auf der anderen. „Massenunterhaltung“ sahen Größen der US-Literatur wie Norman Mailer und John Updike in seinen Werken, John Irving lästerte über die „Geschwätzigkeit“ seines Kollegen und erklärte sich unfähig, dessen ersten Roman zu Ende zu lesen. Auch Kritiker zeigten sich gespalten. An seinem Status als „erster Pop-Journalist“ („Guardian“) und zumindest Miterfinder des New Journalism, der Literarisches und Nichtfiktionales mischt, wurde nicht gerüttelt. Wolfe galt als Gesellschafts- und Zeitdiagnostiker, der für jedes Jahrzehnt das passende literarische Sittengemälde lieferte. Aber der Autor galt auch als eitler Selbstdarsteller, als „Amerikas größter Satz-für-Satz-Angeber“ („Guardian“), der genüsslich die Schwächen anderer Menschen beschrieb. Wolfe hat das nie geleugnet.

Geboren wurde er in Richmond im US-Virginia in eine Professoren- und Plantagenbesitzer-Familie. Seine Mutter führte ihn in die Künste ein, ließ den kleinen Tom in Ballett- und Stepptanz ausbilden, zeichnete und las viel mit ihm. Kaum neun, soll der Junge versucht haben, eine Biografie über Napoleon sowie einen illustrierten Band über Mozarts Leben zu schreiben. Er studierte an der Elite-Universität Yale und bewarb sich dann als Journalist. „Ich habe mehr als hundert Bewerbungen an Zeitungen geschrieben“, erzählte er einst der „Paris Review“. „Drei Antworten habe ich bekommen. Zwei Absagen.“

Die „Springfield Union“ in Massachusetts schließlich stellte ihn an. Über einige andere Zeitungsjobs landete Wolfe schließlich in New York und bei der Belletristik. „Acht Monate lang saß ich jeden Tag an meiner Schreibmaschine und wollte das ‚Fegefeuer der Eitelkeiten’ anfangen und nichts passierte. Mir wurde klar, dass ich es nur schaffen kann, wenn ich mir eine Abgabefrist setze.“ Der Roman über die Geldgier von Wall-Street-Bankern und Kredithaien wurde Mitte der 80er Jahre ein Welterfolg und mit Tom Hanks und Bruce Willis verfilmt (bleib aber kommerziell erfolglos). Später folgten Erfolge wie „Ein ganzer Kerl“ und „Ich bin Charlotte Simmons“ sowie  Reportagen und Essays.

Die Selbstzweifel seien lebenslang geblieben, sagte der zweifache Vater Wolfe, der mit seiner Frau direkt am Central Park wohnte. „Man geht jeden Abend ins Bett und denkt, dass man die brillantesten Seiten aller Zeiten geschrieben hat. Und am nächsten Tag merkst du, dass es nur Gefasel ist. Manchmal auch erst sechs Monate später. Das ist eine konstante Gefahr.“

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