Vortrag von Historiker Götz Aly Von den Schrecken des deutschen Kolonialismus

Saarbrücken · Historiker Götz Aly hielt auf Einladung der Stiftung Demokratie Saarland einen Vortrag zu seinem Buch „Das Prachtboot“.

 Schriftsteller und Historiker Götz Aly

Schriftsteller und Historiker Götz Aly

Foto: picture alliance / dpa/Arno Burgi

Die deutsche Kolonialherrschaft war kurz und nicht so schlimm? In der Südsee lebten die Menschen unbehelligt wie im Paradies? Von wegen! Der Historiker Götz Aly hat anlässlich der Eröffnung des Berliner Humboldt-Forums die Herkunftswege eines dort ausgestellten Südsee-Boots erforscht – und entdeckte Raub, Betrug, Mord und Zerstörung.

Auf Bitten von Kolonialhändlern befahl der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck 1882 gezielte Vernichtungsaktionen der deutschen Marine gegen die winzige Südsee-Insel, von der das Boot stammte, um deren Einwohner zu bestrafen und zu unterwerfen. Der Korvettenkapitän, der das Kommando führte, war ein Saarbrücker. Guido Karcher (1844-1905), der nach diesem als „Strafexpedition“ bezeichneten Massaker befördert wurde, stammte aus einer seinerzeit angesehenen Saarbrücker Familie. „Ist die Karcher-Straße nach ihm benannt?“, fragte Götz Aly am Montag ins Publikum und erhielt am Ende der Veranstaltung darauf die Antwort. Auf Einladung der Stiftung Demokratie Saarland stellte der bekannte Holocaust-Forscher aus Berlin im Saarbrücker SDS-Haus seine Erkenntnisse vor, die er im Buch „Das Prachtboot“ niedergeschrieben hat. Das Südsee-Boot von der Luf-Insel, die heute zu Papua-Neuguinea gehört, sei das letzte existierende seiner Art, äußerst kunstvoll, ein wichtiges Zeugnis, Weltkulturerbe, betonte Aly.

Im Humboldt-Forum, das das 16 Meter lange Luft-Boot als eine Art Zugpferd präsentiert, erfahre man über die Bauweise, den kulturellen Kontext und die genaue Art der Beschaffung aber nichts, bemängelte der Historiker. Und das, obwohl alle Informationen, die er aus Archiven zusammengetragen hat, öffentlich zugänglich und leicht zu finden seien. Auch für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als derzeitige Besitzerin wäre das somit möglich gewesen. Sie habe von seinem Buch nichts wissen wollen, sagte Aly. Inzwischen hat sie einige Formulierungen auf dem Beschreibungs-Schild zum Exponat nachgebessert.

Bevor der deutsche Südsee-Händler Eduard Hernsheim den Hermit-Archipel und die dazugehörige 6,5 Quadratmeter große Luf-Insel für seine Zwecke nutzte, war sie wahrscheinlich auch paradiesisch. Doch die deutschen Kolonialhändler verwandelten die Südseeinseln in Kokosplantagen, verschleppten, wenn die Bewohner nicht mitzogen, Menschen von anderen Inseln als Arbeitskräfte und machte sie mit „Raucherschulen“ abhängig von Tabak, die man ihnen dann als Bezahlung gab. Hernsheim sei es gewesen, der das Boot besorgt habe, das das Berliner Völkerkundemuseum 1903/04 kaufte, derselbe Hernsheim, der die „Strafexpedition“ für einen ungeklärten Mord beantragte. Korvettenkapitän Guido Karcher habe in einem Bericht sein Vorgehen bei dieser Vernichtungsaktion genau beschrieben, so Aly. Mit dem Kanonenboot „Hyäne“ und der Korvette „Carola“ und 350 Mann sind die deutschen Militärs demnach von zwei Seiten gegen die winzige Insel vorgegangen, mit Kanonen und Granaten gegen nur mit Speeren bewaffnete Menschen. „In elf Tagen des Schreckens“, so Aly im Buch, hätten sie Eindringlinge alles verwüstet und getötet und nach Berichten von Ethologen die Existenzbasis von 300 bis 600 Menschen zerstört.

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