Vorsicht vor Schmiersuff und Frauenmördern

Saarbrücken · Der vierfache Frauenmörder Fritz Honka ist Hauptfigur im neuen Roman von Heinz Strunk, nominiert für den Leipziger Buchpreis.

Frieden mit sich selbst gibt es nicht. Solidarität der Außenseiter gibt es nicht. Und sich gegenseitig helfen, schützen, beistehen - das gibt es schon gar nicht. Wer dieses Buch liest, sollte einen guten Platz haben. Diese Literatur ist böse, es geht um traumatisierte, kaputt gemachte Menschen, die sich zudem gegenseitig das Leben schwermachen. Aber Heinz Strunk lässt ihnen ihre letzte Würde, er beschreibt sie, erklärt sie teilweise und das eigenwillig originell. Die Existenz von Gerda, einer der Figuren dieses Romans, wird so geschildert: "Armut-Hunger-Kälte, Hunger-Kälte-Armut, Kälte-Armut-Hunger, Krieg-Krieg-Krieg."

Heinz Strunk, 53, in Hamburg geboren, aber nicht als Sohn hanseatischer Pfeffersäcke, und dort lebend und seit vielen Jahren schreibend, ist ein großer Wurf gelungen. Was Döblin, Fallada, Brecht als junger Autor, Hubert Fichte oder Jörg Fauser und Charles Bukowski über Außenseiter geschrieben haben, das gehört zur bewegenden Literatur. Strunk, bekannt geworden als Comedian, hat sich jahrelang tief hineinversenkt in das Leben Ausgegrenzter. Er macht sie zu seinen makabren Helden, die doch alle Sehnsucht haben, dazugehören wollen. Diese Figuren sind nicht sympathisch, sie bieten Lesern keinerlei Identifikationsmöglichkeiten. Und dennoch bibbert man mit ihnen, hofft für sie, wünscht ihnen, dass sie aus Schnaps, Dreck, Gestank und einem Höllenleben herauskommen. Irgendwie.

Im Mittelpunkt steht Fritz Honka, der in den 70ern in den härtesten Trinkerlokalen Hamburgs, im "Goldenen Handschuh" und im "Elbschlosskeller", sein Unwesen trieb. Den "Goldenen Handschuh" gibt es immer noch in einer Seitenstraße der Reeperbahn. Honka saß da am Tresen und gab Sätze von sich wie "Ich könnte Fotzen fressen wie Kartoffelsalat". Er schleppte Frauen ab, die körperlich verfallen und oft auch geistig minderbemittelt waren. Der Sohn eines Kommunisten, der mit seinem Vater ins KZ verbannt wurde, der (von den Russen befreit) in DDR-Kinderheimen aufwuchs, nie Anerkennung oder Zuwendung fand, landete noch vor dem Mauerbau in Hamburg. Rocker schlugen ihn fast zum körperlichen Wrack, Bürger ignorierten ihn. Ein extrem einsamer Mann, der zum Frauenhasser wird. Er hat es auf solche abgesehen, die, wie er, im KZ groß wurden, als Trümmerfrauen Hamburg aufbauten und es nie auf die Sonnenseite schafften. Ein Gegenbild zur bundesrepublikanischen Wirtschaftswunderwelt. Ein Tatsachenroman. Den Frauenmörder Honka, genannt Fiete, gab es. Vier Frauenleichen gehen auf sein Tötungskonto, jede grauenhaft verstümmelt.

Im Roman gibt es nur eine Frau, die dem Sturzsäufer und Geilbock etwas Empathie entgegenbringt - eine Angehörige der Heilsarmee. Sie ahnt, dass Honka ein anderer sein will, aber nicht kann. Ein faszinierender Roman, der ans Limit geht. Strunks Lektor hat ein Jahr mit ihm gearbeitet und ihm abgerungen, dass er von 600 auf 250 Seiten runtergeht. Strunk hatte Einsicht in die Prozessakte Honka erhalten, er gibt die Erschütterung an uns weiter.

Heinz Strunk: Der goldene Handschuh. Rowohlt. 256 S, 19,95 €.

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