Museum „Von außen wirkt’s kleiner“

Saarbrücken  · Am Samstag wurde die Moderne Galerie des Saarlandmuseums für alle geöffnet. Was sagen die Besucher?

 Ein Blick von oben in die Moderne Galerie.

Ein Blick von oben in die Moderne Galerie.

Foto: Kerstin Krämer/Kerstin Kraemer +49/(0)177-196

Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD) eilt mit wehenden Rockschößen über den Vorplatz der Modernen Galerie. In deren Foyer staut es sich an diesem Samstagmorgen – der Andrang ist überwältigend. Presse, Radio und Fernsehen wuseln überall, unzählige Kameras strecken ihre Objektive aus, an jeder Ecke recken sich einem Mikrofone entgegen.

Der Museums-Mitarbeiter am Eingang weiß ganz genau, wie viele Leute schon da sind, denn er hat einen Besucherzähler in der Hand. Der macht unablässig Klick: 11 Uhr, es hat noch gar nicht angefangen, und doch ist die Marke von 600 Gästen schon jetzt überschritten – 500 hatten sich offiziell angemeldet. Man strömt, um ein schier unerhörtes Ereignis zu feiern: die Wiedereröffnung der Modernen Galerie und die Einweihung des so genannten Vierten Pavillons. Was dem Hamburger seine Elbphilharmonie und dem Berliner sein Flughafen, das ist dem Saarbrücker eben jener Erweiterungsbau: skandalerschütterter, fünf Kultusminister verschleißender Kunstkubus, an dessen Fertigstellung man irgendwann gar nicht mehr glauben mochte. Seid verschlungen, Millionen!

Nach acht Jahren ist es nun doch vollbracht, und auch die Dauer-Baustellen-gebeutelten Nachbarn scheinen versöhnt: Die für ihre Streitbarkeit bekannte Anwohnerin Christa Jenal – zuvor nie müde, den Verantwortlichen dieses „Museumsmonsters“ Hybris, Arroganz, stadtplanerischen Raubbau und „unverantwortliche Verschwendung von Steuergeldern“ vorzuhalten – schneidet hier zusammen mit Commerçon und Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz das symbolische rote Sperrband durch. Die ersten 200 Bürger dürfen passieren, um, wie von Commerçon geheißen, „ihr“ Museum in Beschlag zu nehmen.

Doch vor die friedliche Eroberung haben die Planungsgötter weitere Zeremonien gesetzt. In seiner Rede beschwört Commerçon die Segnungen der parlamentarischen Demokratie: Sie sei in der Lage, „etwas zu einem guten Ende zu führen“. Den Bau des offiziell „Trakt B“ genannten Quaders vergleicht er mit Strawinskys „Sacre du printemps“, hier in Auszügen dargeboten vom Berliner Klavierduo Norie Takahashi und Björn Lehmann: „Anfangs etwas chaotisch, aber mit fulminantem Finale.“ Danach fabuliert Wilfried Kuehn vom Berliner Architektenbüro Kuehn Malvezzi über die „Räumlichkeit von Kunst“ und das „Museum als Display“, trägt der Bau doch die Geschichte seines Scheiterns in Zitatform auf der Außenhaut (Konzeptkunst von Peter Riedel).

Mit seinen Ausführungen zur Idee der „unsichtbaren Architektur“, die „als Gelenk“ diene, um „Kontexte zu erzeugen“, heizt Kuehn die Neugier weiter an: Die Masse will sich nun endlich selbst überzeugen, wie Räume miteinander spielen, wie ein 14 Meter hohes Atrium zum Atelier und eine Treppe zum „landschaftlichen Erlebnis“ wird. Insgesamt acht Räume gilt es zu erkunden, verteilt auf drei Etagen – zeitgenössische Kunst, Fotografie nach 1945 und weitere Arbeiten von Riedel.

Die labyrinthische Eingangssequenz dominieren Installationen von Pae White, darunter glitzernde Riesenmobilés und eine in Wellenform mäandernde Brokatwand. „Wie lange die Künstlerin wohl daran gewebt haben mag?“, grübelt eine Besucherin. Vor allem Whites farbenfrohe Gespinste, an denen Spiderman bequem quer durchs gesamte Atrium kraxeln könnte, ernten einhellige Begeisterung: „Das ist schon extrem durchdacht, dass das aus jeder Perspektive anders aussieht“, lobt eine Dame. Noch mehr Ekstase bereitet nur der Umstand, dass man am Eröffnungstag in der Ausstellung fotografieren darf. Nicht nur Mobiltelefone werden nonstop gezückt, hier wähnt man sich gar auf einer Fotomesse, so viele Spiegelreflex- und Systemkameras sind im Einsatz. Man flaniert trepp­auf, treppab, kurvt um Biegungen, bleibt irritiert stehen. „Hier waren wir schon mal!“ ist der meistgehörte Satz

 kul-mus2

kul-mus2

Foto: Kerstin Krämer/Kerstin Kraemer +49/(0)177-196

 Der Tenor? Durchweg positiv. Dass die Galerie bis zum Jahresende keinen Eintritt kostet, findet den Beifall etwa von Schriftsteller Bernd Nixdorf. Er vergleicht den Erweiterungsbau mit der Telefonzelle der TV-Figur „Doctor Who“: „Von außen wirkt‘s kleiner, als es von innen ist. Und was die jetzt mit diesen Räumen gemacht haben, ist schlicht Wahnsinn.“ Tilly und Romain Urhausen, die aus Luxemburg angereist sind, stimmen zu: „Die Eingangshalle ist überraschend. Fantastisch!“ Bis 18 Uhr kann man den Würfel erkunden, gegen 15 Uhr hat der Besucherzähler bereits 1300 Gäste notiert. Klick.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort