Vielleicht ein bisschen Frieden

Saarbrücken · Das Saarbrücker Theater Überzwerg modernisiert mit „Nathans Kinder“ Lessings Bühnenklassiker.

 Der Religionskampf wird buchstäblich ausgefochten: Nicolas Bertholet (l.) als Sultan und Sebastian Hammer als Bischof in „Nathans Kinder“, das 2010 den Mülheimer Kinder-Stücke-Preis gewonnen hat. Foto: Uwe Bellhäuser

Der Religionskampf wird buchstäblich ausgefochten: Nicolas Bertholet (l.) als Sultan und Sebastian Hammer als Bischof in „Nathans Kinder“, das 2010 den Mülheimer Kinder-Stücke-Preis gewonnen hat. Foto: Uwe Bellhäuser

Foto: Uwe Bellhäuser

Mit gutem Grund steht Lessings Aufklärungsstück "Nathan der Weise" auf den Lehrplänen saarländischer Schulen. Sein Plädoyer gegen das Hauen und Stechen und für die Toleranz zwischen den Religione ist aktueller denn je. Die Schüler ließen sich für den guten alten Lessing aber nur schwer gewinnen, klagen Lehrer, sie fänden ihn, wohl auch wegen der Sprache des 18. Jahrhunderts, als zu dröge.

Doch jetzt naht Rettung, dank Ulrich Hub und den Saarbrücker Überzwergen. Autor Hub gelingt es, Lessings Nathan erfrischend zu modernisieren. Das Theater Überzwerg bringt seine Neufassung "Nathans Kinder" jetzt - Premiere war am Sonntag - mit großem komödiantischen Elan und originellen Inszenierungsideen mitreißend auf die Bühne. In den Grundzügen bleibt Lessing in der Neufassung sogar erhalten: Auch hier sind es ein Sultan und ein Bischof (statt eines Patriarchen), die in Jerusalem um die Vorherrschaft ihrer jeweiligen Religion kämpfen - und den aufgeklärten, reichen jüdischen Kaufmann Nathan am liebsten in den Feuertod schicken würden. Wie der Titel schon andeutet, stärkt Autor Ulrich Hub aber die Rolle der beiden jungen Hauptfiguren, mit denen sich die Zuschauer (empfohlen ist das Stück ab zehn Jahren) gerne und gut identifizieren können. Anna Bernstein gibt Nathans Pflegetocher nicht nur, wie es sein soll, sehr selbstbewusst, klug und schlagfertig, sondern auch mit großer Natürlichkeit. Regisseurin Lejla Divanovic, die erstmals als Gast für das Überzwerg-Ensemble arbeitet, lässt sie an die Holzwand, die als Emblem für Jerusalem steht, symbolkräftig Friedensblumen malen.

Interessant auch: Divanovic wollte Gewaltszenen offenbar nicht für Action ausschlachten. Wie Kurt, der junge Tempelritter vom Sultan enthauptet zu werden droht, um dann begnadigt zu werden und später Recha aus ihrem brennenden Zimmer rettet, das inszeniert sie als putziges, märchenhaftes Miniatur-Schattenspiel (Ausstattung: Julia Theel). Diesen Kurt wiederum, der sich in Recha verliebt und so seine Judenfeindschaft fahren lässt, gibt Gerrit Bernstein als einen überzeugenden Heißsporn, bei dem man gleich spürt, dass er das Herz auf dem rechten Fleck hat. Kurt ist dabei der einzige auf der Bühne, den Theel und Divanovic in ein historisierendes Kostüm stecken, eine Art romantischer Ritter neben Rechas modern gekleideter Göre.

Den drei Religionsvertretern verpasst man mit Bedacht graue Anzüge mit schwarzen Rollis, also eine völlig identische Kluft. Auch sie machen ihre Sache gut. Reinhold Rolser wirkt als Nathan um seine eigenwillige Tochter fast mütterlich rührend besorgt. Nicolas Bertholet macht den Sultan zu einem coolen, jovialen, machtbewussten Platzhirschen. Sebastian Hammer verkörpert den Bischof bravourös als Hassprediger, dessen schneidende Stimme mehr als einmal frösteln lässt.

Um das düstere Thema fürs junge Publikum etwas aufzuhellen, gibt Autor Hub den Dialogen viel sprachliche Komik und Ironie mit. Die Überzwerge setzen in ihrem sehr körperbetonten, lebendigen Spiel mit Slapstick noch eins drauf. Wenn Sultan, Bischof und Nathan mit ihren heiligen Büchern am Ende aufeinander losgehen, erinnern sie an dumme Buben, die sich im Sandkasten prügeln und tänzeln dann wie die Blues Brothers, in perfekter Choreografie. Bei Hub ist Recha die treibende Kraft und deshalb auch diejenige, die Nathan dazu bringt, die erhellende Ringparabel zu erzählen. Die Versöhnung am Ende feiert die Inszenierung etwas zu pompös als diskokugelbeleuchte Party, bei der alle als Mutmacher David Bowie anstimmen: Wir könnten Helden sein. Nun ja, zumindest für einen Tag.

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Zu sehen am 29. und 30 März; am 1., 2., 4., 5. und 6. April; am 10., 11., 12. und 14. Mai. Karten: Tel. (06 81) 958 28 30 und www.ueberzwerg.de

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