Bildende Kunst Untertan oder Mitgeschöpf?

Hamburg · Eine gesellschaftskritische Hamburger Schau untersucht anhand von 200 Exponaten unser ambivalentes Verhältnis zum Tier.

 Verliebt und gefährlich: Der Affe läuft Amok und zeigt seine menschliche Seite in dem Film-Klassiker „King Kong und die weiße Frau“ von 1933.

Verliebt und gefährlich: Der Affe läuft Amok und zeigt seine menschliche Seite in dem Film-Klassiker „King Kong und die weiße Frau“ von 1933.

Foto: Beta Film / Deutsches Filminstitut, Frankfurt-KINEOS Sammlung

Den Auftakt macht ein gigantisches Wimmelbild, das deutsche Forscher 1929 als Reproduktion einer rund 40 000 Jahre alten Höhlenmalerei in Simbabwe angefertigt haben. Den Hintergrund bilden zwei weiße Elefanten, während sich im Vordergrund neben realistischen Darstellungen von Flusspferden, Zebras und Antilopen auch jede Menge menschliche Wesen und Mischwesen tummeln. Friedliche Koexistenz statt Dominanz und Ausbeutung.

„Wieviel Tier braucht der Mensch, um sich seines Menschseins bewusst zu werden?“, fragt Dennis Conrad, einer der drei Co-Kuratoren der Ausstellung „Tiere. Respekt/Harmonie/Unterwerfung“, die jetzt im Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) in Hamburg zu sehen ist. Die materialreiche Schau versammelt mehr als 200 Exponate, darunter prähistorische Funde, altägyptische Artefakte, Porzellanarbeiten des Barock, Asiatika, Gemälde verschiedener Epochen bis hin zu zeitgenössischen Werken von Künstlern wie Ai Weiwei oder Michael Schmidt.

„Das Verhältnis von Tier und Mensch muss neu verhandelt werden. Tiere sollen endlich zu ihrem Recht kommen, ihr subjektives Empfinden, ihre Individualität und Verletzlichkeit verlangen Respekt“, sagt Sabine Schulze, die im Mai 2018 aus dem Amt scheidende Direktorin des MKG und Hauptkuratorin der Ausstellung. Mit Ausstellungen zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen hat das MKG unter ihrer Leitung in den vergangenen zehn Jahren immer wieder für Aufmerksamkeit gesorgt. Die aktuelle Schau nimmt den „Animal Turn“, darunter versteht man die aktuell zu beobachtende Hinwendung der Geisteswissenschaften zur Ähnlichkeit von Mensch und Tier, zum Anlass, ganz grundlegende Fragen an unser immer noch von Dominanz- und Ausbeutungsmechanismen bestimmtes Verhältnis zum Tier zu stellen.

Anhand von rund einem Dutzend Themeninseln wird die Komplexität der Mensch-Tier-Beziehungen vorgestellt. Der Mensch kam in eine Welt, die ursprünglich von Tieren dominiert wurde. Er machte sie sich untertan: als Beute, als gezähmtes Haustier, als Kultwesen, als Forschungsobjekt. Gerade das ambivalente Verhältnis des Menschen zum Affen wird in der Schau intensiv beleuchtet. Ein besonders anrührendes Exponat stellt das Gemälde „Orang Utan, Erdbeeren fressend“ (1776) von Tethart Philipp Christian Haag dar. Es zeigt ein domestiziertes Orang Utan-Weibchen, das aus Borneo nach Den Haag gebracht und in einer Menagerie öffentlich zur Schau gestellt worden war. Von der Vielzahl neugieriger Besucher unter ständigen Stress gesetzt, starb es jedoch nach nur sieben Monaten.

Besonders eindrucksvoll sind auch die zahlreichen historischen Exponate aus Ägypten. Mehrere Statuetten der Göttin Bastet sowie eine Katzenmumie zeugen von der besonderen Verehrung der Katze. Weltberühmte Gemälde wie Franz Marcs „Liegender Hund im Schnee“ (1911), Paul Klees „Der Goldfisch“ (1925), „Der Nachtmahr“ (1790/91) von Johann Heinrich Füssli oder „La Belle et la Bête“ (1908) von Henri Rousseau machen die Schau auch für Kenner der Malerei zu einem Hochgenuss. Daneben sind aber vom Filmklassiker „King Kong und die weiße Frau“ aus dem Jahre 1933 bis hin zu Comics auch zahlreiche popkulturelle Exponate zu sehen.

Ganz am Ende des Parcours gibt es noch einmal eine besonders anrührende Begegnung mit einem Elefanten. Für seine Videoinstallation „Play Dead; Real Time“ (2003) ließ der britische Künstler Douglas Gordon einen Zirkuselefanten und seinen Dompteur in den neutralen White Cube einer New Yorker Galerie bringen. In dem tonlosen Video hören wir zwar dessen Befehle nicht, doch schnell wird dem Zuschauer klar, dass hier ein Tier immer wieder zu einem nicht artgerechten Verhalten aufgefordert wird. In Lebensgröße begegnet der Betrachter einer gequälten Kreatur, der man beigebracht hat, sich auf Zuruf totzustellen. „Es sagt viel über eine Gesellschaft aus, wie sie sich zum Tier stellt“, sagt Sabine Schulze. Mit dieser bewegenden Arbeit zeigt sie uns, dass der Weg zu einem respektvollen Umgang zwischen Mensch und Tier noch ebenso weit wie alternativlos ist.

 Der Erdbeeren genießende Orang-Utan von Tethart P. Christian Haag. (1776).

Der Erdbeeren genießende Orang-Utan von Tethart P. Christian Haag. (1776).

Foto: Herzog Anton Ullrich-Museum, Kunstmuseum des Landes Niedersachsen

Läuft bis 4. März. Di-So: 10-18 Uhr. Do: 10-21 Uhr.

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