Filmfestival von Venedig Vom Kampf gegen rechts - filmisch leider ziemlich schematisch

Venedig · Die deutsche Regisseurin Julia von Heinz hat beim Festival von Venedig ihren Film „Und morgen die ganze Welt“ vorgestellt – über ihr frühes Antifa-Engagement.

 Die Regisseurin Julia von Heinz (l.) und ihre Hauptdarstellerin Mala Emde.

Die Regisseurin Julia von Heinz (l.) und ihre Hauptdarstellerin Mala Emde.

Foto: dpa/Gian Mattia D'alberto

Üblicherweise lässt schon die besondere Aura Venedigs das Filmfestival etwas entrückt wirken: Da können die Filme noch so realistisch sein und das Elend in der Welt abbilden: Vor dem Palazzo del Cinema verbinden sie sich mit dem Glamour des Hintergrunds. Aber 2020 verpasst die allgegenwärtige Maskenpflicht diesem Flair einen gewaltigen Realitäts-Check. Plötzlich sind es die Filme, die der Realität entrückt wirken, weil sie allesamt vor der Pandemie entstanden sind. Julia von Heinz und ihr deutscher Beitrag zum „Engagement gegen rechts“ ist dabei einer der dringlichsten.

Heinz, bekannt geworden mit der Verfilmung von Hape Kerkelings Bestseller „Ich bin dann mal weg“, hat für „Und morgen die ganze Welt“ ihre Erfahrung im Antifa-Engagement fiktionalisiert und in die Gegenwart gebracht. Ihr Avatar im Film ist Luisa (Mala Emde), eine Frau Anfang 20, die als Jurastudentin noch bei den Eltern wohnt. Ohne dass es dazu eine besondere Erklärung bedarf, glaubt man der jungen Frau sofort, dass sie ihrem großbürgerlichen, wenn auch offenbar sehr toleranten Zuhause entfliehen will.

Mit leuchtenden Augen folgt sie  ihrer Freundin Batte (Luisa-Céline Gaffron), die in einem Antifa-Projekt lebt, einem besetzten Haus. Doch erst muss Luisa einer Vielzahl an kritischen Augen standhalten und sich zu ihrer Bereitschaft zum Engagement gegen rechts bekennen. Ihr Jura-Studium gibt schließlich den Ausschlag: So jemanden kann man im Antifa-Kreis gut gebrauchen.

Bald schon geht es zur ersten Aktion, eine Gegendemonstration einer rechten Kundgebung, mit Prügelszenen und Hetzjagden zwischen rechts und links. Luisa erweist sich einerseits als unerfahren, andererseits als ausgesprochen geschickt und aufmerksam. Ihr Fundstück eines Handys führt die Gruppe prompt zu ihrem nächsten, noch gefährlicheren Coup gegen rechts.

Heinz‘ Film erzählt vom Antifa-Engagement in Szenen, die immer unmittelbar im Geschehen spielen. Meist ist die Kamera auf die Gesichter der Beteiligten gerichtet, die oft Entschlossenheit, seltener Unsicherheit ausdrücken. Man erfährt über die Figuren nie viel mehr, als dass sie unbedingt gegen rechts kämpfen wollen. Sicher kommt das ein oder andere persönliche Motiv hinzu. Da gibt es den vorlauten Alfa (Noah Saavedra), den alle bewundern, gerade weil er stets besonders radikales Vorgehen fordert.

Lenor (Tonio Schneider) dagegen, der aus weniger gutem Haus kommt, will deshalb manche Aktion abbrechen, weil er weiß, dass seine Eltern nicht die Verbindungen haben, ihn nach einer möglichen Verurteilung „rauszuhauen“. Luisa schwankt zwischen der Attraktion, die das Alphamännchen Alfa auf sie ausübt, und der besseren Freundschaft, die Lenor ihr bietet. Über die Sinnhaftigkeit ihrer Aktionen, darüber, ob es etwas bewirkt, den Rechten „was auf die Nase“ zu geben, gibt es eher weniger Reflexion.

Die Stärke von Heinz‘ Film ist die Direktheit, mit der sie auf der Seite der jungen Helden steht. Aber gerade weil sie die Perspektive so einschränkt und außerhalb des engen Kreises kaum richtige Charaktere entwickelt, bleibt ihr Film am Ende doch sehr schematisch. Die rechte Szene, die Luisa und ihre Antifa-Genossen ausspionieren und beklauen, verkommt zur bloßen Chiffre aus schwarz gekleideten, meist höhnisch lachenden Männern. Und die Gewaltfrage, die sich Luisa und ihren Freunden vermehrt stellt – wie weit darf man gehen im Kampf gegen das Unrecht? –, reduziert der Film schwammig auf die emotionale Ebene. Wie lernt man, seine Wut und Verzweiflung über die Welt zu beherrschen? Eine Frage, die heute aktueller denn je scheint.

„Und morgen die ganze Welt“ startet am 29. Oktober im Kino.

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