Perspectives Ungeschminkter Purismus großer Bodenakrobaten

Saarbrücken · Saarbrücken (sbu) Über ihren Namen kann man lange rätseln. Denn die Compagnie Un loup pour l‘homme – benannt nach dem Brecht-Zitat, wonach der Mensch dem Menschen ein Wolf sei – ist weder brutal noch gefährlich. Auch empfindlich, gar zimperlich, wie der Titel ihres neuen Programms „Rare Birds“ vermuten lässt, sind diese fünf französischen Bodenakrobaten und Tänzer keineswegs. Wie ehrliche Arbeiter, die sich quälen, wirken sie bisweilen. Da steigt dann der eine dem anderen auf die Archillesferse und spaziert mit ihm herum, als wäre es sein Schatten. Während das Publikum vor lauter Phantomschmerz die Luft lautstark durch die Zähne einzieht. Der künstlerische Ansatz der fünf seltenen Vögel, die am Wochenende auf dem Tbilisser Platz auftraten, ist radikal.

(sbu) Über ihren Namen kann man lange rätseln. Denn die Compagnie Un loup pour l‘homme – benannt nach dem Brecht-Zitat, wonach der Mensch dem Menschen ein Wolf sei – ist weder brutal noch gefährlich. Auch empfindlich, gar zimperlich, wie der Titel ihres neuen Programms „Rare Birds“ vermuten lässt, sind diese fünf französischen Bodenakrobaten und Tänzer keineswegs. Wie ehrliche Arbeiter, die sich quälen, wirken sie bisweilen. Da steigt dann der eine dem anderen auf die Archillesferse und spaziert mit ihm herum, als wäre es sein Schatten. Während das Publikum vor lauter Phantomschmerz die Luft lautstark durch die Zähne einzieht. Der künstlerische Ansatz der fünf seltenen Vögel, die am Wochenende auf dem Tbilisser Platz auftraten, ist radikal.

Vom klassischen Zirkus belassen sie nur noch das Zelt, alles Übrige wie Schminke und Kostüme, ja sogar das Ausstellen von Virtuosität und Spektakulärem haben sie auf den Müllhaufen entsorgt. Fast ist es, als besuchte man hier Akrobaten auf der Probebühne und schaute ihnen beim Training zu. Spielerisch wie Kinder scheinen sie zu erkunden, was mit den Körpern alles möglich ist: Einmal über den Rücken laufen; einmal den anderen umrunden, ohne dabei mit den Füßen den Boden zu berühren. Oder im Kreis hüpfen und dabei von einer hingehaltenen Räuberleiter-Hand in die nächste springen. Bitte nicht nachmachen! Dass es so leicht wäre, wie es aussieht, ist reines Understatement. Dass sie Kunstfertigkeit beweisen, ohne auch nur einmal eine klassische oder symmetrische Akrobatik-Figur vorzuzeigen, ist schon ein echte Kunst. Manchmal kabbeln sie sich auch miteinander oder verknäulen sich wie beim Rugby. Doch oft wirkt ihr Prinzip, eine Bewegung minimalistisch in die nächste weiterzuentwickeln, auch etwas ermüdend, Etüden gleich. Beim Publikum kam, wie der Schussapplaus bewies, dieser ungeschminkte Purismus jedoch bestens an.

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