Neues Buch über „Raumpatrouille“ Warum „Raumschiff Orion“ immer weiterfliegt

Saarbrücken · Weites All, böse Außerirdische, Weltraum-Knackis und ein Planet des Matriarchats – vor 55 Jahren flog die „Orion“ erstmals durchs Weltall. Seitdem ist die Serie „Raumpatrouille“ ein Stück deutscher Fernsehgeschichte, aktuell ist sie bei Netflix zu sehen. Ein neues Buch hat sich der Geschichte der Serie angenommen – und wurde dabei von einer geradezu galaktischen Neuigkeit überrascht.

Bildergalerie zum TV-Klassiker „Raumpatrouille“
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Foto: ASS

Manchmal hat man eben Pech. Da erscheint ein Buch über die selige deutsche Science-Fiction-Serie „Raumpatrouille“ – und kurz darauf platzt die buchstäblich galaktische Bombe, dass die Orion nach über einem halben Jahrhundert tatsächlich noch einmal ins All fliegt – eine Fortsetzung ist geplant. Gute Nachricht für die Fans des kultisch verehrten Raumkreuzers „Orion“ – keine so gute für den Verlag, ist sein Buch doch über Nacht nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand. Aber: Dem Reiz von „Es lebe Raumpatrouille Orion“ tut das keinen Abbruch. Der kleine feine Band von Peter R. Krüger ist für die reiferen Anhänger der „Raumpatrouille“ ein wohlig nostalgisches Lesebuch – für Jüngere, die die Abenteuer der „Orion“ möglicherweise gerade auf Netflix entdecken, ein informationspraller Begleiter.

„Guck doch erstmal“

Autor Krüger hat die Abenteuer von Commander Cliff Allister McLane – schneidig bis schnodderig von Dietmar Schönherr gespielt – nicht bei der Erstausstrahlung ab September 1966 gesehen, sondern erst in den 1980ern. Da flog Krüger als Kind durch die bunten Welten von „Raumschiff Enterprise“, „Kampfstern Galactica“, „Captain Future“ und „Mondbasis Alpha 1“ - und konnte erstmal wenig Interesse aufbringen für elterliche Videoaufnahmen einer alten deutschen Serie, die auch noch schwarzweiß war. „Guck doch erstmal“ war der Rat des Vaters. Der Rest ist bei Krüger Geschichte (und das Buch hat er dem Vater gewidmet).

Originellerweise betet der Autor zum Einstieg ins Thema nicht einfach die sieben Folgen inhaltlich herunter, sondern vergleicht seinen kindlichen Blick von damals mit dem kritischeren Auge von heute – unterstützt von einem Großbild-TV, der die Tricks von damals eben etwas antiquierter aussehen lässt als der antike Röhrenfernseher im Wohnzimmer der Eltern. Sein Fazit: Die über 50 Jahre alten Folgen haben sich sehr gut gehalten – und der eigene Geschmack hat sich etwas verfeinert: Eine Episode etwa wie „Der Kampf um die Sonne“, in dem Alpha-Mann McLane auf einem Planeten des Matriarchats an seine diplomatischen und nervlichen Grenzen kommt, ist heute für ihn weit gelungener als damals – als er als Jungspund vor allem auf Weltallgefechte und außerirdische Invasoren wartete.

Kein Kichern wegen des Bügeleisens, bitte!

Letztere gab es ja auch, die schemenhaften, lichterflirrenden „frogs“, die in der finalen Folge schon die halbe Erdregierung unterwandert hatten, dann aber doch scheiterten. So konnten sich McLane und Tamara Jagellovsk, die Beamtin des Sicherheitsdienstes, die den bisweilen aufmüpfigen und autoritätsskeptischen Commander an die Kandare nehmen sollte, endlich in die Arme schließen. „Ende gut, alles gut“, meint da auch Autor Krüger und widmet sich den Tricks von einst und den Dekorationen. Und da kommt man an einem Gegenstand nicht vorbei, über den sich gerne jene hämisch beömmeln, die die Serie ansonsten kaum kennen: das offensichtliche Bügeleisen, verbaut in einem Kommandotischchen. Eine Wohltat, dass Krüger diese dauer-ironischen Kulissen-Kleingeister als „Miesmacher“ geißelt.

 Eine Zeitschrift von 1966 mit der „Raumpatrouille“ als Titelgeschichte.

Eine Zeitschrift von 1966 mit der „Raumpatrouille“ als Titelgeschichte.

Foto: Kristall

Wo und wann wurde „Raumpatrouille“ gedreht?

Schöne Details erfährt man am Rande: dass etwa der Meeresstrudel, aus dem die „Orion“ immer wieder aufsteigt, in der Versuchsanlage für Wasserdynamik in der TU München aufgenommen wurde. Und dass ein Teil der Tiefseebasis 104, auf dem Technikerinnen und Techniker emsig wandeln, nichts anderes ist als der Königsplatz in München. Die Kulissen der „Orion“, das legendäre „Starlight-Casino“ undsoweiter entstanden in den Studios der Münchener Produktionsfirma Bavaria mit hohem Aufwand. Die Dreharbeiten begannen im März 1965 - dass die Serie erst anderthalb Jahre später erstmals ausgestrahlt wurde, lag an der komplizierten Postproduktion und den Spezialeffekten, die damals als spektakulär galten.

Für viele „Raumpatrouille“-Anhänger sind das keine neuen Erkenntnisse, aber Krüger behauptet das auch nicht und verweist auf das im Jahr 2000 erschienene (und heute vergriffene, secondhand recht teure) Referenz-Sachbuch von Experte und Super-Sammler Josef Hilger, mit dem Krüger für sein Buch gesprochen hat: Der räumt unter anderem mit dem Gerücht auf, die Decke der „Orion“ sei mit profanen Joghurt-Bechern geschmückt gewesen – mitnichten, die Teile entstanden extra in den Ateliers der Bavaria in München.

 Heute ziemlich rar - das Quartettspiel zur Serie.

Heute ziemlich rar - das Quartettspiel zur Serie.

Foto: ASS

Eines der sinnigsten Mini-Kapitel widmet sich der Sprache in der Serie – denn die ist zackig verknappt, in einer Mischung aus Militär– und Amts-Duktus: eine Weltraumstation in der Nähe des Roten Planeten nennt sich „Mars Außen“ (auch „Jupiter Außen“ gibt  es ein paar Kilometer weiter), Laserstrahler heißen „Lichtwerfer“ (die „Orion“ kämpft wohl auch gegen Anglizismen), die irdische Raumschiff-Flotte nennt sich TRAV – „terrestrische Raumaufklärungsverbände“, und der galaktische Sicherheitsdienst heißt GSD.

McLane – Rebell oder doch Musterschüler?

Apropos: Die Welt der Serie ist überwiegend eine militärische und geheimdienstliche, und so wurde die Serie immer wieder auch als militaristisch kritisiert. Bis heute kann man herzhaft darüber diskutieren, ob McLane nun ein Rebell gegen starre Militär-Hierarchien ist oder doch ein williger Befehlsempfänger, sobald die Befehle von den Vorgesetzten kommen, die er schätzt; mit dem wunderbar polternden General Wamsler (Benno Sterzenbach) verbindet ihn ja fast eine Beziehung mit Vater-Sohn-Anmutung.

 Ein faktenpralles Buch aus dem Jahr 2000 über die Serie - heute selten und secondhand recht teuer.

Ein faktenpralles Buch aus dem Jahr 2000 über die Serie - heute selten und secondhand recht teuer.

Foto: Schwarzkopf&Schwarzkopf

Was bietet das Buch noch? Krüger listet die knapp 150 „Orion“-Romane und Heftromane auf, die im Laufe der Jahrzehnte erschienen, dazu Fan-Geschichten und Hörspiele – die Welt der „Raumpatrouille“ ist eben eine weit verzweigte. Nebenbei gibt es einen Exkurs über den Komponisten Peter Thomas, der die „Orion“ kongenial untermalt hat – ob nun schmissig beim Aufmarsch der Mannschaft, gruselig beim Auftritt der „frogs“ oder tanzflächen-futuristisch bei der Erholung im „Starlight Casino“.

Warum wurde  „Raumpatrouille“ nicht fortgesetzt?

Ein leider etwas kurzes Interview mit dem letzten noch lebenden Darsteller aus der „Orion“-Besatzung gibt es auch – Friedrich Georg Beckhaus (93), der den Astronauten Atan Shubashi spielte. Er erinnert sich an harmonische Dreharbeiten und hätte sich eine Fortführung gewünscht, wie er sagt. „Die war der Bavaria aber zu teuer“. In einem weiteren Gespräch erzählt Henny van Veendaal, ein holländischer „Orion“-Fan der ersten Stunde, von einem eigenen „Raumpatrouille“-Film, an dem er nunmehr seit zehn Jahren arbeitet. Crowdfunding-Unterstützer sind  sehr willkommen – erste Szenen  gibt es schon.

In einem weiteren Gespräch erzählt der Verleger Erik Schreiber, Gründer des Verlags Saphir im Stahl, der Bücher zu den sieben TV-Folgen und weitere Romane veröffentlicht hat, von Absatzproblemen: Weitere „Orion“-Bücher werde es von ihm nicht geben, denn der Verkauf läuft schleppend. „So viele Fans, und keiner kauft.“ Vielleicht stecken ja die „frogs“ dahinter.   

Peter R. Krüger: Es lebe Raumpatrouille Orion.
Verlag In Farbe und Bunt, 153 Seiten, 10,80 Euro.

 Das neue Buch zur „Raumpatrouille“.

Das neue Buch zur „Raumpatrouille“.

Foto: in Farbe und Bunt

Die sieben Folgen kann man sich anschauen bei Netflix.

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