Träume, Desillusionierungen und das Fahnden nach Erinnerungen

Ein Plakatmaler in Mumbai, Flüchtlinge aus Eritrea in Ostfriesland, eine Flugschule in Ghana, eine Spurensuche in der Ukraine: Die heute anlaufenden Dokus decken thematisch ein weites Spektrum ab.

 Motiv aus der sehenswerten Doku „Original Copy“. Foto: Magnetfilm

Motiv aus der sehenswerten Doku „Original Copy“. Foto: Magnetfilm

Foto: Magnetfilm

Saarbrücken. "Hier wohnen gute Geister" sagt die Kinobesitzerin in "Original Copy" und könnte Recht haben - wie sonst könnte dieses Kino aus alter Zeit in Mumbai immer noch über die Runden kommen? Der Film von Florian Heinzen-Ziob (Sohn) und Georg Heinzen (Vater) beschreibt das Leben um den alten Filmpalast "Alfred Talklies" und vor allem die Arbeit des letzten Filmplakatmalers der Stadt, Sheik Rehman: mal Tyrann und Schrecken seiner Hilfsmaler, manchmal ein gütiger Übervater. Man wird Zeuge, wie eines seiner riesigen Plakate entsteht - der schöne Spannungsbogen des Films - und wie Menschen versuchen, ihre Würde zu behalten, auch wenn ihr Beruf und ihr Kino wie aus der Zeit gefallen wirken. Ein sehr sehenswerter Film.

Heute: 17.30 Uhr, CS 9; Do: 12.45 Uhr, CS 2; Fr: 19.45 Uhr, CS 3; Sa: 17 Uhr, CS 5.



"Girls don't fly" erzählt von einem afrikanischen Entwicklungsprojekt, das fast zu schön klingt, um wahr zu sein: In Ghana öffnet eine Flugschule, um junge Frauen zu Pilotinnen auzubilden. Leiter ist ein (weißer) Brite, der seinen Traum leben will: Menschen helfen und in Afrika leben, in das er sich unsterblich verliebt hat. Doch Monika Grassls Doku erzählt am Ende vom Scheitern des Plans: an Geschlechtertraditionen und vor allem an der Person des Engländers. der mit seinen Methoden (Drill, Zahlen statt Namen und "Everybody smile"-Befehlen) wie ein militärischer Schleifer agiert. Er träumt den Traum des guten Weißen, der Schwarzen hilft, weil sie es in seinen Augen alleine nicht schaffen. Ein Film mit vielen Zwischentönen, der am Ende - aus Materialmangel? - im Schildern des Scheiterns etwas flüchtig wirkt.

Heute: 20 Uhr, CS 9; Do: 15 Uhr, CS 2; Fr: 22.30 Uhr, CS 4; Sa: 10 Uhr, CS 5.

Fünf eritreische Flüchtlinge warten in Ostfriesland auf den Ausgang ihres Asylverfahrens. Für ihren Film "Gestrandet" hat Lisei Caspers die Fünf über anderthalb Jahre filmisch begleitet: beim Versuch, im Sportverein Anschluss zu finden, beim Arbeiten als 1-Euro-Jobber - und beim langsamen Verlieren von Antrieb und der Hoffnung, in Deutschland bleiben zu können. Die stärksten Momente hat der Film, wenn er die Beschaulichkeit Ostfriesland kontrastiert mit Nachrichtenbildern und Erzählungen der Flüchtlinge. "Du beerdigst jemanden und gehst einfach weiter", erzählt einer über seinen Marsch durch die Wüste. Auch von den Frustrationen der Helfer vor Ort erzählt er, die sich mitunter mit Behörden aufreiben. Da allerdings wirkt der engagierte Film etwas didaktisch.

Heute: 19.30 Uhr, CS 2; Fr: 22.15 Uhr, CS 5; Sa: 15 Uhr, CS 4; So: 12.30 Uhr, CS 2.



Die Mühseligkeit des Hervorholens vergrabener Erinnerungen bildet Levin Peters Ludwigsburger Diplomfilm "Hinter dem Schneesturm" subtil und mit schlichten, doch wirksamen Mitteln ab. Peter befragt seinen Großvater im Pflegeheim über dessen Wehrmachtszeit in der Ukraine. Die schwerfällige Konversation kombiniert er mit Szenen aus Mariupol, wohin sich Peter aufmacht, um dessen heutiges Gesicht und Spuren des Vergangenen einzufangen. Im Zentrum: ein Massaker, dem tausende Juden zum Opfer fielen. Opas in den 40ern dort geschossene Fotos - die keine Gewalt zeigen - sind der rote Faden der Doku, die auch eine Huldigung an die Bewahrungskraft von Fotos ist. Wie formt sich Erinnerung? Man spürt, wie dem Alten vorgespielte Tonspuren (Hundegebell, Güterzuggebremse) in ihm arbeiten. Unklar bleibt, was er als Soldat tat. Aus Scham? Doch schreit er vor Schmerz - derer gedenkend, die damals gehängt wurden. Eine filmische Geduldsübung, die in ihrer Konsequenz überzeugt.

Heute: 15 Uhr, CS 2; Do: 17.30 Uhr, CS 9; Fr: 20.15 Uhr, Achteinhalb; Sa: 14.45 Uhr, CS 5.

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