Pandemiebedingt vor kleinem Publikum Titania Völklingen: „8 Frauen“ vor 30 Zuschauern

Völklingen · Der Verein ist eigentlich volle Hallen gewohnt, aber die Inszenierung ist auch unter erschwerten Bedingungen ein Erfolg.

 Die Titania-Truppe – hier bei der Vorstellung ihres Stücks „a la carte“ – macht das Beste aus den Corona-Beschränkungen.

Die Titania-Truppe – hier bei der Vorstellung ihres Stücks „a la carte“ – macht das Beste aus den Corona-Beschränkungen.

Foto: BeckerBredel

„Sechs Monate Corona reichen doch nicht aus, eine Herdenimmunität gegen Theater zu entwickeln“, stellte Jürgen Reitz am Freitagabend im ausverkauften Theater Luisenthal lächelnd fest. Der künstlerische Leiter der Titania genoss es sichtlich, vor Publikum zu stehen. Zwar hatte man im Sommer bereits mit Kabarett-Abenden den Spielbetrieb aufleben lassen. Aber so eine Premiere ist halt noch mal was ganz eigenes – und diese hier, „8 Frauen“, wird sowieso heftigst in die Annalen des in diesem Jahr 20-jähriges Bestehen feiernden Vereins eingehen.

Denn „ausverkauft“ bedeutet Anno 2020 exakt 30 zahlende Gäste. Klar, dass sich das anders anfühlt als ein krachvoll besetzter Saal. Reitz’ Tipp an die Zuschauer: „Nehmen Sie es einfach als Luxus.“ Von Seiten des Vereins sei man einfach nur froh, spielen zu dürfen. Selbst wenn das bedeutet, jede halbe Stunde zu lüften oder die Besucher nach dem Toilettengang einmal ums Haus laufen zu lassen. Auch auf der Bühne war längst nicht alles erlaubt. Jede Schauspielerin hatte ihren zugewiesenen Platz, es durfte sich nicht viel bewegt werden, von singen ganz zu schweigen. Weshalb man gleich ganz darauf verzichtete – anders als in der französischen Kino-Version, in der Filmdiven wie Catherine Deneuve oder Isabelle Huppert ihre Rolle auch gesanglich unterfütterten.

Stattdessen delegierte Reitz den musikalischen Part an The Doors. Die passen zeitlich perfekt, setzt die von Robert Thomas geschriebene Kriminalkomödie doch kurz vor Weihnachten 1969 ein – im abgelegenen Landhaus einer gutsituierten Familie. Just an dem Morgen, als die ältere Tochter aus dem Internat anreist, wird der einzige männliche Bewohner, Hausherr Marcel, ermordet aufgefunden. Mit ihren psychedelischen Rocksongs verleiht die Kult-Band dem Ganzen etwas Surreal-Transzendentes. Dieser Bruch zur betulichen, konservativen Grundstimmung des Stücks hat biographischen Ursprung. Vor 50 Jahren weilte Reitz erstmals per Schüleraustausch in Tours: „Dort erstand ich mein erstes Doors-Album, ,Absolutely Live’.“ Seiner Inszenierung verpasste er außerdem eine Erzählstimme, die kapitelweise das bisherige Geschehen zusammenfasst und Einspieler, in denen alle acht Darstellerinnen kurz über sich und ihre Rolle reflektieren. „Ich wollte ausprobieren, ob sich Serienguck-Gewohnheiten auf die Bühne übertragen lassen“, erklärt der Regisseur.

Es funktioniert. Für das Kammerspiel, das mit minimalistischem Bühnenbild und gänzlich ohne Körperkontakt der Actricen auskommen muss (da wird halt Luft umarmt), ist das unbedingt ein Zugewinn. Nebenbei lässt Reitz immer wieder im Garten fallenden Schnee in Endlosschleife auf die Leinwand projizieren. So kalt es draußen ist, so heiß geht es drinnen ab. Stück für Stück demaskieren sich die Damen. Jede hat ihr Geheimnis, angefangen von der mondänen Hausherrin Gaby (Eveline Schmidt-Rech), die mit ihrem Liebhaber türmen wollte, bis hin zur schwangeren Tochter Suzanne (Johanne Duckek). Ihre Großmama (Mary Fey-Kaiser) erweist sich als geizige Betrügerin, Köchin Chanel (Inge Fries) als Zockerin. Louise, das Hausmädchen (Anne Schultheis), hat schon ewig eine Affäre mit Marcel am Laufen. Und dessen Schwester Pierette (Dorothee Martin) ist auch kein Kind von Traurigkeit. Joker der Geschichte ist zum einen die 15-jährige Catherine, herrlich frisch und locker gespielt von Lena Rau, die selbst beim Meckern liebenswert bleibt: „Nichts darf man machen, keine Hosen tragen, nicht rauchen, die Lehrer nicht verhauen.“ Und dann gibt es da noch ihre Tante Augustine, eine vertrocknete, verklemmte Person, die mit ihrer Hypochondrie à la „Mein Herz schlägt nicht mehr“ alle nervt. Wie sie per Video verrät, bietet die Rolle der „infantilen Giftspritze vom Dienst“ eine Steilvorlage, die Susanne Keppner zum großen Vergnügen der Zuschauer melodramatisch zelebriert. Alles in allem ein spannender, vergnüglicher Abend, auf den man im Anschluss völlig verdient und auch ein bisschen erleichtert anstieß.

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