„Thema Verfolgung ist hochaktuell“

Er hat die Vorlagen für 23 „Tatort“-Folgen geschrieben. Für das Kino verfasste der gelernte Jurist Fred Breinersdorfer die Drehbücher zu den zeithistorischen Dramen „Sophie Scholl - Die letzten Tage“ (nominiert für den Oscar) und „Elser – Er hätte die Welt verändert“. Vom Widerstand in der NS-Zeit erzählt nun ebenfalls „Das Tagebuch der Anne Frank“, das nach seiner Vorlage von Hans Steinbichler mit Lea van Acken, Martina Gedeck und Ulrich Noethen in den Hauptrollen inszeniert wurde und auf der Berlinale Weltpremiere feierte. Mit dem Drehbuchautor unterhielt sich SZ-Mitarbeiter Dieter Oßwald.

 Die 15-jährige Lea van Acken spielt Anne Frank. Foto: Universal

Die 15-jährige Lea van Acken spielt Anne Frank. Foto: Universal

Foto: Universal

Das "Tagebuch der Anne Frank" wurde bereits mehrfach verfilmt, auch Oscars hat es dafür bereits gegeben. Warum braucht es jetzt eine weitere Adaption?

Breinersdorfer: Mir haben bei den bisherigen Verfilmungen zwei Aspekte gefehlt: zum einen die Authentizität der Vorlage. Zum anderen die starke Subjektivität, die in einem Tagebuch naturgemäß vorhanden ist. Deswegen erzählen wir diese Geschichte ausschließlich aus der Perspektive dieses Mädchens, was soweit geht, dass Anne direkt in die Kamera zu den Zuschauern spricht.

Wo liegt für Sie die besondere Bedeutung dieser Tagebücher?

Breinersdorfer: Obwohl dieses Tagebuch gängige Schullektüre ist, wird in Buchläden die gebundene Ausgabe noch immer gut verkauft. Da muss es also eine ganz besondere Qualität geben. Neben der persönlichen Situation gehört dazu diese unglaubliche Sensibilität, mit der Anne ihren Alltag unter der tödlichen Bedrohung durch die Nazis beschreibt.

Haben Sie Neues bei Ihren Recherchen für den Film herausgefunden?

Breinersdorfer: Ja, aber leider zu spät. Erst vor kurzem wurde in New York entdeckt, dass Otto Frank, der Vater von Anne, der als einziger überlebt hat, sich nach Kriegsbeginn intensiv um ein USA-Visum für seine Familie bemüht hatte - leider ohne Erfolg. Hätte ich davon vorher erfahren, hätte man noch intensiver Bezüge zu der aktuellen Situation von Flüchtlingen herstellen können.

Wo sehen Sie diese Aktualität?

Breinersdorfer: Verfolgung, Vertreibung, Flucht und Vernichtung von Menschen sind Themen, die uns nie loslassen werden. Bei unserer jahrelangen Arbeit war nicht vorherzusehen, dass sich innerhalb weniger Wochen das Gesicht Europas durch tausende verzweifelte Kriegsflüchtlinge, die hier ankommen, ändern würde. Das Thema unseres Films ist mitten im gesellschaftlichen Diskurs angekommen. Wenn unser Film über das Schicksal einer verfolgten und vernichteten jüdischen Familie einen Beitrag dazu leistet, dass Zuschauer sich gegenüber Flüchtlingen öffnen und helfen, sind wir alle stolz.

Wie wichtig war Ihnen die Authentizität? Und wie lässt sich diese mit künstlerischer Freiheit vereinbaren?

Breinersdorfer: Authentizität ist wichtig, wenn man einen Film über eine historische Person macht. Ich habe deswegen das Tagebuch ins Zentrum gerückt, oft sogar mit Originalzitaten und mit Dialogteilen aus dem Text von Anne. Für künstlerische Freiheit ist immer noch genügend Raum, denn einiges bleibt auch in so einem intimen Text wie einem Tagebuch unausgesprochen. Anne hat ja kein Drehbuch geschrieben. Und alleine die schon erwähnte Auswahl der Stoffkomponenten, ihre Komposition und deren filmische Umsetzung verlangen eine große künstlerische Leistung des gesamten Teams.

Läuft ab morgen in der Camera Zwo, im Cinestar, im Passage (alle Sb), im Eden (Hom), Neues Eden und Cinetower (Nk), Cinema Europa (Zw), Broadway (Ls) und UCI (Kl).



Zum Thema:

AUF EINEN BLICKSechs weitere Filme laufen an diesem Donnerstag in den Kinos der Region an. Herausragend ist "Zoomania", der flotte und hintergründige Animationsspaß aus dem Hause Pixar, der in vielen Kinos anläuft. Empfehlenswert ist außerdem "El Clan" von Pablo Trapero aus Argentinien, eine Vater-Sohn-Tragödie, die den moralischen Niedergang des argentinischen Bürgertums beleuchtet (in der Camera Zwo, Sb). Außerdem startet in mehreren Lichtspielhäusern der actionreiche Gefechtsfilm "13 Hours" von Michael Bay. red

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