Theater als Protestform: Zum Tod des Dramatikers Dario Fo

Saarbrücken · Theater musste für ihn politisch sein, die Gesellschaft aufrütteln. Weshalb sich der Dramatiker Dario Fo, 1997 mit dem Literaturnobelpreis geehrt und gestern im Alter von 90 Jahren gestorben, als Barrikadenstürmer begriffen hat.

Als ihm 1997 der Literaturnobelpreis zuerkannt wurde, begründete das Nobelpreis-Komitee sein Votum treffend mit den Worten: "Fo geißelt die Machtlosigkeit und richtet die Würde der Schwachen und Gedemütigten wieder auf." Die im Vorjahr ausgezeichnete Swetlana Alexijewitsch einmal ausgenommen, war die Verleihung des Literaturnobelpreises an Dario Fo die politischste in den vergangenen 20 Jahren. Dario Fo, der gestern im Alter von 90 Jahren in einem Mailänder Krankenhaus gestorben ist, war der Inbegriff des politischen Volkstheaters. In seinen über 100 Stücken wandte er sich immer wieder gezielt an die Arbeiterschaft, spielte in Fabriken, Supermärkten, auf der Straße: Seine an den Traditionen der Commedia dell'arte und des Stegreiftheaters geschulte Dramatik begriff Fo als künstlerische Form der Politik, als komödiantische Form des Agitprop, als Klassenkampf auf der Bühne.

Für das Esta blishment war er deshalb jahrzehntelang eine persona non grata: Die USA verweigerten Dario Fo zeitweilig die Einreise, der Papst echauffierte sich, Italiens konservative Politiker (bis hin zu Berlusconi und der Lega Nord) torpedierten ihn so weit wie möglich. Man erteilte ihm Auftrittsverbote, verhaftete ihn in frühen Jahren auch mal auf der Bühne, um ihn später - ehe der Nobelpreis diesem erbärmlichen Zensurspiel ein Ende machte - aus dem Fernsehen zu verbannen. Fo aber blieb sich treu, gab den Unbequemen. Und übernahm in vielen seiner Stücke die Hauptrolle.

Als Sohn eines Bahnbeamten und einer Laienschauspielerin 1926 in Sangiano, einem kleinen Ort in der Lombardei, zur Welt gekommen, lernte er in den 50ern seine spätere Frau Franca Rame kennen, mit der er bis zu ihrem Tod 2013 zeitlebens seine Stücke gemeinsam entwarf, inszenierte und aufführte. Rame sorgte für die feministische Note in Fos Stücken, von denen bei uns vor allem "Offene Zweierbeziehung" (1983) bekannt und auf vielen Bühnen gespielt wurde - ein Zweipersonenstück, das vordergründig von ehelicher Untreue handelt, eigentlich aber unsere Doppelmoral und religiös verbrämte Heuchelei geißelt. Über den literarischen Rang Fos lässt sich angesichts des sozialen Gebrauchscharakters mancher seiner Stücke streiten. Als großer Literatur-Harlekin, als nie harmloser Hanswurst und als linker Gaukler aber wird Dario Fo in Erinnerung bleiben.

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