Standesgemäß: Verlegerin wird Kulturministerin

Paris · Pariser Kulturszene begrüßt Wahl von Françoise Nissen.

(dpa/SZ) Sie ist die französische Verlegerin von Nobelpreisträgern wie Imre Kertész und Swetlana Alexijewitsch oder US-Autoren wie Paul Auster und Nancy Houston. Mit Françoise Nyssen hat Emmanuel Macron eine Frau zur Kulturministerin ernannt, die an der Spitze eines der renommiertesten Verlagshäuser stand. Frankreichs Kulturszene ist hingerissen: endlich eine wahre Kulturministerin!

Bei ihrer Amtsübergabe hielt die 65-Jährige eine improvisierte Rede, die sie mit einem Zitat des Philosophen Edgar Morin beendete: "Wenn man ständig das Wesentliche dem Dringlichen opfert, vergisst man die Dringlichkeit des Wesentlichen." Nyssen, 1951 nahe Brüssel geboren, studierte zunächst Molekularbiologie, ehe ihre Leidenschaft für Bücher die Oberhand gewann. 1980 übernahm sie die Leitung eines Verlagskollektivs in Paradou, bevor sie in den von ihrem Vater 1977 gegründeten Verlag Actes Sud im südfranzösischen Arles einstieg. Heute zählt er mit 200 Mitarbeitern und 11 000 Titeln zu den renommiertesten Häusern Frankreichs. Mit Laurent Gaudé, Jérôme Ferrari und Mathias Enard verlegt man gleich drei Prix Goncourt-Preisträger, Frankreichs bedeutendstem Literaturpreis.

Landesweit wurde die Personalie Nyssen positiv aufgenommen. Fehlt Frankreich doch schon geraume Zeit ein Kulturminister mit einer Ausstrahlung, wie der Schriftsteller André Malraux oder der Theaterintendant Jack Lang sie hatten. Malraux, 1959 bis 1969 erster Kulturminister der Fünften Republik, förderte umstrittene Autoren wie Jean Genet und die moderne Kunst. Auf Jack Lang geht etwa die Erweiterung des Louvre zurück und das 1982 ins Leben gerufene Fête de la musique, das heute am 21. Juni weltweit gefeiert wird. Beider Nachfolger standen eher im Ruf, stromlinienförmige Technokraten zu sein wie zuletzt bis Februar 2016 Fleur Pellerin, die öffentlich erklärte, schon lange keine Bücher mehr gelesen zu haben. Diese Gefahr besteht bei Nyssen nicht. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit wird die kulturelle Bildung sein, geplant ist ein Kulturbonus von 500 Euro für jeden 18-Jährigen. 50 Milliarden Euro stehen für den Schutz und die Bewahrung nationalen Kulturguts zur Verfügung.

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