Verleihung am Sonntag Die Oscars 2021 – mehr Vielfalt, weniger roter Teppich

Los Angeles · Am Sonntag werden die 93. Oscars verliehen, Corona stellt die Verleihung aber vor einige Probleme. Fraglich ist auch, wie groß das Publikumsinteresse sein wird.

 Frances McDormand ist als Darstellerin im Favoriten „Nomadland“ nominiert.   Foto:  Richards/20th Century Studios/Disney /dpa

Frances McDormand ist als Darstellerin im Favoriten „Nomadland“ nominiert. Foto: Richards/20th Century Studios/Disney /dpa

Foto: dpa/Joshua James Richards

Mit einem modischen Protest machte Natalie Portman bei der Oscar-Gala 2020 Schlagzeilen. Sie trug einen Umhang, in dessen Saum die Namen von Regisseurinnen in Gold gestickt waren. Sie wolle an die Frauen erinnern, deren „unglaubliche Arbeit“ von der Academy nicht anerkannt wurde, sagte die Oscar-Preisträgerin. In der Sparte „Beste Regie“ waren 2020 nur Männer nominiert.

Die Kontroverse um mangelnde Vielfalt kocht bei Hollywoods höchsten Filmpreisen immer wieder hoch. In den vergangenen Jahren gab es eine Welle von Kritik, mal unter dem Hashtag #OscarsSoMale (Oscars so männlich), mal unter #OscarsSoWhite, als schwarze Talente und andere Ethnien völlig übergangen wurden. Nicht in diesem Jahr: Bei den 93. Academy Awards ist vieles ganz anders. Schon vor der Trophäenvergabe am Sonntag (läuft live bei ProSieben) haben die Britin Emerald Fennell und die in Peking geborene Chloé Zhao einen Rekord aufgestellt. Nie zuvor waren gleich zwei Frauen in der Regie-Sparte nominiert: Fennell für den Rache-Thriller „Promising Young Woman“, Zhao für das Road-Movie „Nomadland“. Bis 2020 gingen nur fünf Frauen für den Regiepreis ins Rennen, Kathryn Bigelow („The Hurt Locker“, 2010) ist bis jetzt die einzige Oscar-prämierte Regisseurin.

Zhao hat allerbeste Chancen gegen die Kollegen Thomas Vinterberg („Der Rausch“), David Fincher („Mank“) und Lee Isaac Chung („Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“). Die 39-Jährige in den USA lebende Filmemacherin holte bereits den Golden Globe und den Spitzenpreis von Hollywoods Regie-Verband.

Mehr als 9000 wahlberechtigte Mitglieder hat die Oscar-Akademie, die Mehrzahl ist weiß und männlich. Doch der Verband ist spürbar um Vielfalt bemüht und lädt deutlich mehr Frauen und Vertreter von Minderheiten als neue Mitglieder ein. Eine Rekordzahl von 70 Frauen wurde diesmal nominiert, rechnet die Academy stolz vor. Ein weiteres Novum: Noch nie gab es so viele Menschen, die nicht weiße Amerikaner sind (neun von 20 Anwärtern) in den vier Schauspielkategorien.

Die Anfang April verliehenen SAG-Awards von Hollywoods Schauspielerverband gelten als Oscar-Vorbote. Setzen diese Gewinner ihren Siegeszug bei den Academy Awards fort, wäre das ein Vielfaltsrekord: der „Best Actor“-Oscar ginge posthum an den im vorigen August an Krebs gestorbenen Afro-Amerikaner Chadwick Boseman für „Ma Rainey‘s Black Bottom“. Viola Davis würde für ihre Hauptrolle als die schwarze Blues-Sängerin Ma Rainey ausgezeichnet.

Zahlenmäßig ist die Filmbiografie „Mank“ von Regisseur David Fincher mit zehn Nominierungen der Oscar-Favorit. Die Schwarz-Weiß-Hommage an Hollywood mit Hauptdarsteller Gary Oldman hat bisher aber kaum Preise gewonnen.

In dieser Saison stehen kleinere, persönliche Independent-Filme, die für wenig Geld produziert wurden, im Rampenlicht. „Minari“ dreht sich um eine südkoreanische Einwandererfamilie im ländlichen US-Staat Arkansas der 80er Jahre. „Nomadland“ von Regisseurin Zhao erzählt die Geschichte einer Witwe, die mit wenigen Habseligkeiten als Wohnwagen-Nomadin durch die USA zieht, von Frances McDormand unglaublich lebensnah gespielt. Beide Filme haben je sechs Oscar-Chancen.

Fraglich ist allerdings, wie groß das Publikumsinteresse ist. Umfragen zufolge sind die nominierten Filme dem großen Publikum kaum bekannt. Es ist kein „Titanic“-Jahr, wie 1998, als der Blockbuster vor über 55 Millionen Fernsehzuschauern abräumte. Schon im vorigen Jahr waren die Einschaltquoten auf 23 Millionen Zuschauer gesunken.

Umso mehr legen sich die Show-Produzenten um Regisseur Steven Soderbergh ins Zeug, beim Endspurt für die 93. Oscar-Gala Neugier zu wecken. Stars wie Brad Pitt, Harrison Ford und Halle Berry werden Trophäen verteilen. Zoom-Schalten aus den Wohnzimmern der Anwärter sind tabu, sie sollen live dabei sein. Die traditionelle Glamour-Show mit Starrummel auf dem rotem Teppich vor Hollywoods Dolby Theatre fällt aber aus, stattdessen soll die Zeremonie auf mehreren Bühnen spielen: Als neuer Standort kommt das Bahnhofsgebäude Los Angeles Union Station dazu, ebenso sind Schalten aus London und von anderen Zentren geplant.

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