20. „Rocco-Del-Schlacko“-Festival „Die Sau rauslassen“ auf den Sauwasen
Püttlingen · Drei Tage komplett loslassen, ohne aber die wichtigen Dinge aus den Augen zu verlieren – ein Rückblick auf die Jubiläumsausgabe des „Rocco del Schlacko“-Festivals, die 24 000 Besucher zählte.
Zwei Lektionen gab es in diesem 20. „Rocco-del-Schlacko“-Jahrgang zu lernen. Erstens: Im Saarland, wo jeder jeden kennt, ist es nicht so einfach, Geheimnisse geheim zu halten. Vor Monaten kündigten die Veranstalter des Roccos einen „super-geheimen“ Eröffnungs-Act fürs Jubiläumsfestival an. Es dauerte aber nicht lange, bis in den Kommentarspalten im Internet von den Donots als Opener geredet wurde. Als diese am Mittwoch, ein Tag vor Festivalbeginn, bei Facebook ihren Auftritt verkündeten, waren denn auch nur wenige noch wirklich überrascht. Vielleicht war es auch nur naheliegend, da kaum eine Band öfters den Sauwasen bespielt und vor allem kaum eine Band „das Rocco“ und seine Besucher mehr liebgewonnen hat als die Donots. Als sie am Donnerstagnachmittag die 20. Ausgabe auf dem „Ponyhof“, der kleineren Bühne auf dem Weg zum Hauptgelände, eröffneten, waren die meisten Fans schon wieder trocken.
Was uns zur zweiten Lektion bringt: Wenn mal wieder eine Hitzewelle das Land in die Knie zwingt, sollte man einfach kurzfristig ein Festival planen, der Regen kommt dann schon von ganz alleine. So auch diesmal wieder am Donnerstagmittag, als die meisten Festivalcamper gerade dabei waren, ihre Zelte und Pavillons auf dem staubigen Acker aufzubauen. Es ist durchaus etwas klischeehaft, dass beim Festival jedes Mal übers Wetter geschrieben wird. Schließlich ist es ein Open-Air, da muss mit allem gerechnet werden. Und doch bleibt es erstaunlich, mit welcher Präzision auch diesmal wieder ein Unwetter das Festivalgelände und seine nur mäßig vorbereiteten Besucher nach fast drei Wochen sengender Hitze und kompletter Trockenheit aufspürte.
Alles halb so wild: Nach kurzem Starkregen und Sturm war der Spuk vorbei, der Rest des Wochenendes war warm und trocken, und die Sonne sorgte für ein paar wunderschöne Abenddämmerungen in Köllertaler Postkarten-Umgebung. Nur viele Pavillons der Rocco-Camper hatten den Sturm nicht überstanden, was den Campingplatz noch früher noch chaotischer aussehen ließ. Sowieso ist der Rocco-Campingplatz ein Ort, der selbst den geübten Festivalbesucher jedes Mal nochmal amüsiert zurücklässt. Es bleibt ein Ort, an dem Regeln nicht gerne gesehen werden, auf recht unterhaltsame Art und Weise. Ein Zaun, der Camper davon abhalten sollte, den Weg über einen kleinen Graben abzukürzen, wurde umgeworfen und fortan ganz kreativ als Brücke über ebenjenen Graben genutzt. Wer den Weg über den Campingplatz nahm und zu sauber aussah, wurde auch mal mit dreckigem Wasser aus einer Spritzpistole nassgespritzt. Und wer an dem Pappschild mit der Aufschrift „Tanzzone“ vorbeikam, musste stehenbleiben und mit den Bewohnern des dortigen Pavillons mittanzen.
Vor der Bühne tanzten die Fans diesmal zum Beispiel zu Kraftklub aus Chemnitz, die routinemäßig ein Festival nach dem anderen mit ihrer Mischung aus Indie-Rock und Rap zum Kontrollverlust bringen. Sie luden eine der beiden Rapperinnen von SXTN mit auf die Bühne, die dann später noch, um 1 Uhr nachts, den Ponyhof mit ihrer Musik abrissen. Zu einer früheren Uhrzeit wäre das vielleicht aus Jugendschutzgründen mit Blick auf die Songtexte des harten Gangster-Raps der beiden Damen aus Berlin schwerer gewesen. Genug Zulauf fanden sie mit ihren Partybeats, links und rechts der Bühne war kaum noch ein Platz zu finden.
Rapper Marteria, dessen letzter Rocco-Auftritt 2015 wegen Unwetters hatte abgebrochen werden müssen, hatte diesmal mehr Glück. Und sein Alter-Ego Marsimoto mit im Gepäck, der im grünen Anzug und mit verzerrter Stimme rappte – die Bühne ganz in grünen Nebel getaucht. Mit seinem Schlusssong brachte Marten Laciny, wie er bürgerlich heißt, die Menge gar dazu, zum Konfettiregen ihre T-Shirts in die Luft zu werfen, und das bei nächtlichen 14 Grad. Zum Abschluss auf der Hauptbühne gab‘s die Veteranen des deutschen Alternative-Rocks, die Beatsteaks. In 23 Jahren Bandgeschichte gastierten sie nun immerhin schon zum sechsten Mal hier. Sänger Arnim Teutoburg-Weiß performte abwechselnd von der Bühne und von einem Podest aus, das direkt vorm Publikum aufgebaut war. Bei Hits wie „I Don’t Care As Long As You Sing“ oder „Hand In Hand“, sang wohl auch noch der letzte Festivalbesucher am Bierstand mit.
Dazwischen gab’s jede Menge Punk von den Broilers, Wizo oder Bad Religion. Oder von Feine Sahne Fischfilet, den Punks aus Rostock, die sich nicht scheuten, politisch zu werden — inklusive der Aufforderung auf die Straße zu gehen. Neben allem Spaß und Unfug auf der Bühne nutzten fast alle Bands ihren Auftritt dazu, gegen Rassismus und Homophobie anzugehen – und für Nächstenliebezu sein, da waren sie sich alle einig. Den größten Applaus des ganzen, wieder mal friedlich verlaufenen Festivals gab es, als Kraftklub zur Cover-Version des Gegen-Rechts-Songs „Schrei nach Liebe“ der „Ärzte“ ansetzte. Genau das ist das „Rocco“-Feeling. Drei Tage komplett loslassen, ausrasten, „die Sau rauslassen“ auf dem Sauwasen – ohne dabei die wichtigen Dinge aus den Augen zu verlieren.