Shortlist des Deutschen Buchpreises Vom Zufall, wo man geboren wird

Frankfurt/Saarbrücken · Wer gewinnt den Deutschen Buchpreis? Bis Mitte Oktober stehen sechs Romane zur Wahl – ein nominierter Autor liest bald in Saarbrücken.

  Ein großkotziger Fußballstar und ein schwules Pärchen, zwei dunkelhäutige Brüder und ein Epileptiker, der zum Helden wird. Männlichkeit wird neu verhandelt in den Büchern, die auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2019 stehen. Gleich drei Debüts haben es auf die Liste geschafft, aus der Mitte Oktober der beste deutsche Roman gewählt wird.

Mit ihren ersten Werken wurden Raphaela Edelbauer („Das flüssige Land“), Miku Sophie Kühmel („Kintsugi“) und Tonio Schachinger („Nicht wie ihr“) nominiert – alle drei unter 30. Zu den etablierteren Autoren auf der Shortlist zählen Saša Stanišić („Herkunft“), Norbert Scheuer („Winterbienen“) und Jackie Thomae („Brüder“). Der Sieger wird am Vorabend der Frankfurter Buchmesse verkündet, am 14. Oktober. Er erhält 25 000 Euro, die übrigen Autoren der Shortlist jeweils 2500 Euro.

So unterschiedlich die Bücher stilistisch sind, teilen sie sich doch ein großes Thema, sagt Jury-Sprecher Jörg Magenau: „In allen geht es um familiäre Zusammenhänge“ und die Erfahrung, „dass dabei vor allem die Identität des Mannes problematisch geworden ist“. Nicht im Sinne von Kampf und Konfrontation, betont der Literaturkritiker, sondern schlicht als Feststellung: „Es verschiebt sich was, die Rollen werden neu ausbuchstabiert“.

Tonio Schachingers (27) Hauptfigur in „Nicht wie ihr“ ist Fußballstar. Ivo verdient unanständig viel Geld, hadert aber mit seiner Rolle in diesem Zirkus der Eitelkeiten. Jackie Thomae (47) erzählt in „Brüder“ von zwei ungleichen Halbgeschwistern. Der gemeinsame Vater hat ihnen seine dunkle Hautfarbe vererbt. Sie leben unterschiedliche Leben, stellen aber die gleichen Fragen. Miku Sophie Kühmel (27) schreibt in „Kintsugi“ über ein schwules Paar, das mit Freunden ein Wochenende in der Uckermark verbringt und dabei die Beziehungen neu ordnen muss.

Neben der Frage nach neuen Familienformen und Männlichkeitsbildern gibt es eine weitere Gemeinsamkeit: „Die Suche nach der Herkunft ist das große Thema, auch über die Shortlist hinaus“, sagt Juror Magenau. In einer Welt, wo sehr viele Menschen sehr viel unterwegs sind, wo sich Bindungen lösen und Unsicherheit eine Konstante ist, wachse das Bedürfnis, sich seiner Vergangenheit zu vergewissern.

Saša Stanišics (41) Roman „Herkunft“ trägt dieses Thema schon im Titel. Ein witziges wie tiefsinniges Buch über den Zufall, wo man geboren wird. Die Österreicherin Raphaela Edelbauer (29) hat mit „Das flüssige Land“ einen Anti-Heimatroman vorgelegt: Unter einem Dorf, das auf keiner Karte zu finden ist, wächst ein riesiger Hohlraum – Vergangenheitsbewältigung als Parabel. Norbert Scheuers (67) „Winterbienen“ spielt im Zweiten Weltkrieg. Sein Held schmuggelt in Bienenstöcken Juden aus Deutschland ins sichere Ausland.

Drei Debüts und drei etablierte Autoren, drei Männer und drei Frauen – die Entscheidung der Jury, die in diesem Jahr 200 Werke sichtete,  wirkt ausgewogen. Mit Kremayr & Scheriau ist zudem ein österreichischer Verlag dabei, der nicht zu den Global Playern gehört. Ausschlaggebend sind solche Erwägungen der Jury zufolge nicht. „Totaler Zufall“, sagt Magenau.

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