Seine Skulpturen öffnen Tore in die Natur – und zu uns selbst

Merzig · Mehr als 60 Jahre Arbeit am Stein: Der Merziger Bildhauer Paul Schneider wird heute 90 Jahre alt und ist bei der Landeskunstausstellung mit vertreten.

 „Bildhauer-Urgestein": Geburtstagskind Paul Schneider. Foto: Rich Serra

„Bildhauer-Urgestein": Geburtstagskind Paul Schneider. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Die Zeitungen, die ihm in diesen Tagen weltweit nur noch Trümmerlandschaften zeigen, hat er abbestellt. Zerstörung um ihrer selbst willen muss für einen, der Steinsplitter wie ein kostbares kosmisches Element erlebt, grausamer als für andere sein. Es waren Trümmer, die den 18-jährigen Paul Schneider begleiteten, als er aus dem Zweiten Weltkrieg quer durch Deutschland nach Hause, nach Saarbrücken, zog. Kurz darauf arbeitete er in Kassel in Ruinen. Dort studierte Schneider bis 1951 Malerei, Zeichnen und Bildhauerei - unter anderem beim "documenta"-Gründer Arnold Bode. Steine waren sein Schicksal und wurden sein Leben.

Jetzt sagt Schneider, der heute 90 Jahre alt wird: "Ich habe mein Werk abgeschlossen." Das klingt nicht bitter, denn nur die Beine spielen nicht mehr mit, der Kopf und die Seele sind bei diesem Mann noch so hellwach wie einst. Immer noch stellt er Fragen an sein Gegenüber und an die Welt. Und er formuliert nicht selten Kluges, etwa das: "Das Geheimnis ist ein wichtiger Bestandteil der Kunst. Dort anzukommen, wo man Sehnsucht hat, aber nichts erkennt - noch nicht. Das ist das göttliche Element in der Kunst. Wo sie sich versteckt und Euch dazu zwingt, dahinterzukommen, mehr zu sehen, als Ihr im Moment seht. Das bedeutet: Ihr müsst Geduld haben mit Euch. Und Ihr müsst es wollen."

Der in Bietzen (Merzig) lebende Bildhauer ist der älteste Teilnehmer der diesjährigen Landeskunstausstellung. Sein "Sonnenstein mit Schlangenhaut" wird im Fellenbergmuseum gezeigt, wo bereits einige Schneider-Arbeiten im Skulpturengarten stehen. Am Sontag richtet man ihm dort eine Geburtstagsfeier aus. Jawohl, diesen Künstler darf man hoch leben lassen, als Konstante der hiesigen Szene und auch als Koordinate für Nachfolge-Generationen.

An welcher Biografie ließe sich besser studieren, wie man das macht: sich mit der Heimat engstens verknüpfen, während man sein Brot mehrheitlich andernorts verdient? Seine dreiköpfige Familie ernährte Schneider durch Teilnahme an Symposien, in Italien, Griechenland oder Indien. Im Saarland schenkte man ihm Preise: den Kunstpreis des Saarlandes (1984), den Weisgerber-Preis (2000) oder den Sparda-Bank-Preis (2000). Und wir wurden "steinreich". Allein Saarbrücken besitzt mehr als 30 Schneider-Arbeiten im öffentlichen Raum, unter anderem am St. Johanner Markt.

Doch erst mit den legendären "Steinen an der Grenze", die von Schneider eingeladene Bildhauer-Kollegen Ende der 80er Jahre auf der Panorama-Höhe bei Merzig-Wellingen schufen, wurde sein Name einer breiteren Öffentlichkeit ein Begriff. Schneiders "Sonnensteinwanderweg" öffnet überraschende Tore in die grandiose Grenzlandschaft - und zu uns selbst. Der Name klingt nach Suche und Aufbruch, nach Zuversicht und Wärme, er klingt ganz nach Paul Schneider selbst. Denn obwohl sich Schneider als Einzelgänger sieht, wendet er sich mit seiner Kunst den Menschen zu.

Seine Skulpturen wollen berührt sein, verstehen sich als Blick-Lenker und Wegbegleiter. Das Material ist zwar Stein, doch der Kopf des Künstlers steckt beim Arbeiten in den Wolken, bei Licht und Wind und Wasser. Die Gedanken durchpflügen kosmische Weiten, spirituelle Ozeane. Der Sonne bleibt meist ein Loch. Gibt es urmenschlichere Themen? Sicher, sie sind in Paul Schneiders massiven, auf den ersten Blick unscheinbaren, manchmal auch klobig wirkenden Objekten nicht leicht zu lesen, aber wenn, wird die Begegnung zu einem Glücksmoment.

Zum Thema:

Eröffnung der Merziger Ausgabe der SaarArt heute um 19 Uhr (Museum Schloss Fellenberg, Torstraße 45A). Bis 2. Juli. Geöffnet Di-So: 14-17 Uhr. Künstler: Peter Baus, Christian Cordes, Katharina Krenkel, Lisa Marie Schmitt, Paul Schneider, Sabrina Sperl. Geburtstagsfeier für Schneider: 7. Mai, elf Uhr, im Museum.

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