„Seine Filme trotzen der Schwerkraft“

Wie kommt es zu Ihrem Besuch in Saarbrücken?

Wie kommt es zu Ihrem Besuch in Saarbrücken?

Hochhäusler: Oliver Baumgarten, der Programmleiter des Festivals, hat mich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, eine Brücke zu bauen zu Max Ophüls, für ein jüngeres Publikum. Ich liebe Max Ophüls, da habe ich gerne zugesagt.

Haben Sie das Gefühl, er ist beim jüngeren Publikum vergessen?

Hochhäusler: Ja, schon. Ich glaube, dass die meisten jungen Leute keine Ahnung haben, wer der Namensgeber des Festivals ist. Das ist nur noch so ein Hörensagen. Seine Filme sind in Deutschland relativ selten zu sehen. Das hat auch mit seiner verflixt zersplitterten Karriere zu tun, mit der Flucht aus dem "Dritten Reich". Als Schauspieler hat er in Deutschland begonnen, dann hat er Theater- und Radioregie gemacht, kam darüber zum Film und musste nach seinen ersten vier Filmen wieder gehen. Dann hat er in Holland, Frankreich und Italien gearbeitet, ging nach Hollywood, wo er lange nicht Fuß gefasst hat. Dort hat er einige seiner besten Filme gedreht, kam wieder zurück nach Frankreich, am Ende auch wieder nach Deutschland - wobei der Flop von "Lola Montez" seine Karriere eigentlich beendet hat. Dann ist er früh gestorben. Eine verrückte Karriere voller Hindernisse. Seinen Filmen sind die Widrigkeiten nicht anzusehen. Sie trotzen der Schwerkraft sozusagen.

Ist Ophüls' Nachruhm in Frankreich größer?

Hochhäusler: In jedem Fall. Das liegt natürlich auch daran, dass er viele seiner Meisterwerke in Frankreich gedreht hat, mit französischen Stars wie Danielle Darrieux oder Charles Boyer. Die Franzosen verehren ihn als einen der Ihren. Er ist da schon angekommen, auch wenn er durchaus Sehnsucht nach der deutschen Sprache hatte und nach dem Krieg in Deutschland auch an Projekten gearbeitet hat, aus denen dann leider keine Filme wurden. "Berta Garlan" etwa, eine Schnitzler-Bearbeitung, die er dann "nur" als Hörspiel verwirklichen konnte.

Warum haben Sie sich "Madame de..." ausgesucht?

Hochhäusler: Ophüls verbindet da eine höchste Meisterschaft der Form mit einem großen Thema, das hier so brutal zu Tage tritt wie in fast keinem anderen Werk der Filmgeschichte. Es geht letztlich um Besitz im Zusammenhang mit Gefühlen und darum, inwieweit etwa eine Ehe eine Form von Besitzgemeinschaft ist. Wir sehen gesellschaftliche Konventionen, Fesseln. Niemand schreit seine Gefühle heraus. Aber wir erfahren durch Ophüls' Präzision in der Bildsprache genau, was die Figuren fühlen. Über diesen Gegensatz erfährt man die Gefühle nochmal stärker.

Werden Sie Ophüls' Sohn Marcel beim Festival treffen?

Hochhäusler: Ich hoffe es sehr, ich bin ein Verehrer seiner Filme. Er ist auch so jemand, der zwischen Kulturen hin- und hergerissen wurde. Zwangsläufig gewissermaßen, als Ophüls' Sohn. Das ist an Bitterkeit kaum zu übertreffen, wenn man etwa an seinen Film "Das Haus nebenan - Chronik einer französischen Stadt im Kriege" denkt, der in Frankreich zunächst verboten wurde und sehr lange nicht gezeigt wurde. Das ist ein schwieriger Weg gewesen.

Was bedeutet der Erfolg von "Toni Erdmann" insgesamt für deutsche Filmemacher wie Sie, die man nicht dem Kommerz zurechnet?

Hochhäusler: Ich habe keine Ahnung. Es ist einfach ein Film - und im Übrigen muss der deutsche Film auch nicht gerettet werden. Ich finde, man sollte die Filme in Schutz nehmen vor solchen Erwartungen. Mich freut der Erfolg. Maren Ade konnte nicht ahnen, dass ihr Film ein so überwältigendes Echo finden würde. Und ob wir, alle anderen sozusagen, davon etwas haben werden - das ist wirklich zweitrangig. Diese Heilserwartungen an den deutschen Film sind etwas lästig.

Zum Thema:

Hintergrund Christoph Hochhäusler (44), Regisseur von "Falscher Bekenner" (2006 bei Ophüls), "Unter dir die Stadt" und "Die Lügen der Sieger", stellt "Madame de…" am Samstag um 15 Uhr im CS 3 vor. Der Film (1953) mit Charles Boyer, der von einem tragischen Liebesreigen erzählt, gilt als einer von Max Ophüls' besten. red

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