Seelen-Seiltanz in der Manege

Saarbrücken · Mit „Lucia di Lammermoor“ landet Ben Baur am Saarbrücker Theater mit seinem Regie-Erstling gleich einen Hit. Auch seine „Katja Kabanowa“ dürfte spektakulär werden. Aus dem ländlichen Russland verlegt er Leos Janaceks Oper in einen Wanderzirkus mit „La Strada“-Aroma. Premiere ist nächsten Samstag.

 Das ganze Leben ist Zirkus: Szene aus der Oper „Katja Kabanowa“, die am kommenden Samstag Premiere hat. Foto: Thomas M. Jauk

Das ganze Leben ist Zirkus: Szene aus der Oper „Katja Kabanowa“, die am kommenden Samstag Premiere hat. Foto: Thomas M. Jauk

Foto: Thomas M. Jauk

Freudensätze, Glückssprünge im halben Dutzend zum Beifallstosen: So blieb Ben Baur in Erinnerung nach der Premiere von "Lucia di Lamermoor" vor zwei Jahren am Saarbrücker Theater. Sein Regie-Erstling war's für den da bereits arrivierten Bühnenbildner. Trotzdem, sagt er heute, habe er nach der durchfreuten Nacht erstmal eine Woche lang nachgedacht: "War da wirklich genug von mir drin? War es nicht einfach nur ein Ben-Baur-Bühnenbild mit Versatzstücken von Regisseuren, mit denen ich schon gearbeitet habe?" Er selbst fand dann doch genug Eigenes darin. Was aber viel zu bescheiden ist. Denn diese "Lucia" war echt ein Ding. Baur, der an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee studiert hat, erzählte die Oper nämlich vom Ende her - analytisch also, schlüssiger fast als im Urzustand und überdies in beklemmenden Bildern. Das sahen eine ganze Reihe Theaterchefs wohl auch so: Baur, 34 Jahre jung, kann mittlerweile über mangelnde Regieaufträge nicht klagen.

Nach Saarbrücken, wo ihm die damalige Operndirektorin Brigitte Heusinger die Tür aufstieß, kehrt er nun mit Leos Janáceks später, 1921 uraufgeführter Seelenmusik "Katja Kabanowa" zurück. Wieder ist es, wie schon die "Lucia", eine Frau im Ausnahmezustand, eine Verzweifelnde. Katja (Susanne Braunsteffer) sitzt in einer kleinen Stadt an der Wolga fest, wo die Landschaft weit, das Leben aber eng ist. Ihr höchstens halbherzig geliebter Gatte Tichon (Algirdas Drevinskas) bleibt ein Hampelmann an den Fäden seiner Mutter Marfa (Judith Braun).

Zudem macht dieser Schwiegertyrann Katja das Dasein bitter. Katja sträubt sich, wehrt sich dagegen, hofft zaghaft erst, dann immer mehr, sie könne mit Boris, ihrem Verehrer, ein besseres Leben in der Ferne versuchen. Ein trügerisches Sehnen.

Aufwühlende Musik, mit kleinen, nervösen Motiven und dem Klang seiner tschechischen Muttersprache nachspürend, ist Janáceks knapp zweistündiger Dreiakter, den Baur in einem Rutsch durchspielen lässt. Spannung halten! Und in der Probe klingt das unter Nicholas Miltons Dirigat auch schon vielversprechend expressiv.

Bei solch' einer Musik verbietet sich doch jeder "Küchenrealismus, wo Katja, Tichon und Marfa in einer miefigen Stube zusammen sind", meint der Regisseur. Diesen Klanggewittern müsse man auch "theatralisch Wuchtiges entgegensetzen". Und dann war da noch ein Gedanke: "Warum schaffen es all' diese Leute, die ständig aufeinander hocken, nicht, aus ihrem Leben auszubrechen?" Baur kam dafür schnell das Bild eines schäbigen, kleinen Wanderzirkus in den Sinn, in dem Menschen auch ständig beisammen sind, und wenn sie reisen, doch immer all' das Wenige, was sie besitzen, mitnehmen. Wo auch die Lebensweise quasi vererbt wird. Und man in der Manege immer ein und dieselben Rollen spielt. So wird Muttersöhnchen Tichon nun zum traurigen Clown, Mutter Marfa zur Dompteurin und Katja zur Seiltänzerin, die zwar hoch hinaus will, aber immer den Sturz fürchtet. Da denkt man fast zwangsläufig an Fellinis Meisterwerk "La strada".

Kann es da aber noch überraschen, dass Baur auch seine Inszenierung vor allem in Bildern denkt ? Und unbedingt auch das Bühnenbild dafür machen wollte, ja musste: "Das aus der Hand zu geben, kann ich mir nicht vorstellen." Dass Zuschauer irritiert sein könnten, in seiner "Katja Kabanowa" keine Wolga, kein Russland zu sehen, ficht ihn nicht an. "Das soll ja kein ‚Tatort' sein, in dem sich alles irgendwie erklären muss", entgegnet er. Baur will seine Zuschauer mit der ganzen Opulenz, dem wunderbaren Überfluss der Bühne überwältigen, verführen. Mithin wohl das schönste Theaterversprechen überhaupt.

Premiere: Samstag, 14. Januar, 19.30 Uhr, Saarländisches Staatstheater, Karten unter

Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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