Zum Tod von Sean Connery James Bonds Schatten war lang – aber nicht endlos

Saarbrücken · Sean Connery ist tot. Wie sein Sohn der BBC mitteilte, starb Connery in der Nacht zum Samstag auf den Bahamas. Ein Blick auf eine sagenhafte, aber nicht ganz einfache Karriere.

Sean Connery wird 90 Jahre alt
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Sean Connery wird 90 Jahre alt

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Foto: picture alliance //dpa Picture-Alliance /

Eine Herrentoilette, Tokio 1966. Ein Schauspieler schleicht sich hinein. Dutzende Reporter jagen ihm hinterher, Blitzlichter zucken, große Aufregung, immerhin bei noch geschlossener Hose. Spätestens da war es Sean Connery wohl zu viel mit dem ganzen James-Bond-Rummel – auch wenn die 007-Rolle aus dem schottischen Ex-Milchmann, Ex-Sargpolierer, Ex-Matrosen und Ex-Mister-Universum-Teilnehmer da schon einen reichen Mann gemacht hatte.

James Bond und Sean Connery, das war in den 1960er Jahren ein Phänomen, ein britischer Kultur-Exportschlager wie die Beatles (über die sich die Figur Bond im Film „Goldfinger“ übrigens ziemlich altväterlich mokiert). Die Figur Bond appellierte an die elementarsten (und niederen) Instinke, gab uns aber die wohlige Illusion, es seien nicht die niederen: Freude an Sex, an Gewalt, schnellen Autos, gutem Essen, an edlem Zwirn.

Connery brachte eine kernige Männlichkeit in diese Filme: Brusthaariges Machotum paarte er mit äußerer Smoking-Eleganz und einer unterschwelligen Brutalität, wenn auch ironisch abgefedert. Man denke an das lässige „Shocking“, das Connery/Bond entfährt, nachdem er in „Goldfinger“ (1963) einen Gegner mit Strom in der Badewanne geköchelt hatte. Privat tat Connery 1965 im „Playboy“ kund, dass das Ohrfeigen einer Frau eben die letzte Option sei, falls die rhetorischen Argumente ausgeschöpft seien – ein Interview, das Connery, seit 1975 in zweiter Ehe verheiratet, immer verfolgte, zumal er seine These nie dementiert hat.

Nach seinem fünften Bond, „Man lebt nur zweimal“ (1967), bei dem er im Action-Exotik-Erotik-Mix leicht gelangweilt wirkte, hing Connery Bonds Walther PPK zum ersten Mal an den Nagel und wollte nie, wirklich nie, wiederkehren. Er tat es aber – 1971 und 1983; der Grund war jeweils derselbe, der heute gerne vergessen wird: Abseits der Bond-Rollen war Connery lange Zeit ein Mann von gestern, ein Ex-Mythos, Kassengift gar, trotz einiger seiner besten Rollen, bei denen er gerne auf das von ihm ungeliebte Bond-Toupet verzichten konnte. Er spielte einen seelisch zermürbten Polizisten im nachtschwarzen Psychokrimi „Sein Leben in meiner Gewalt“ (1973), einen Berberfürsten in „Der Wind und der Löwe“ (1975), einen in die Jahre gekommenen Robin Hood in der melancholischen Romanze „Robin und Marian“ (1976) und einen trickreichen Meisterdieb in „Der große Eisenbahnraub“ (1978). Das ganz große Publikum wollte Connery bei diesen Rollen-Exkursen nicht folgen, seine Karriere schien lange nicht aus dem Schatten Bonds heraustreten zu können. Bis er die Rolle 1983 in „Sag niemals nie“ symbolisch zu Grabe trug: mit einer ironischen Darstellung, in der der Zynismus der 007-Vergangenheit einer versöhnlichen Altersmilde gewichen war. Da wirkte sein Mönch in „Der Name Rose“ (1986) weniger wie ein Gegenentwurf denn wie ein Bruder im Geiste – wenn auch ungleich asketischer als der Genussmensch 007.

Das Stigma des Ex-Bond ließ Connery spätestens 1987 hinter sich, als er einen Oscar für den Mafiafilm „Die Unbestechlichen“ erhielt – dort spielte er die Rolle, die er fortan perfektionierte: eine abgeklärte, integre Vaterfigur, die viel gesehen hat und dem Leben mit einer spöttischen Distanz begegnet. Ob als Vater des Helden in „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989) oder als altersweiser U-Boot-Kommandant in „Jagd auf Roter Oktober“ (1990). Durch meist geschickte Rollenwahl erwies sich Connery als einer der langlebigsten Stars der Kinogeschichte. Er gab als graue Kino-Eminenz sogar schlichtem Actionkommerz wie „The Rock“ (1996) Seele, Humor und Stil. Connery war Action-Star und zugleich Charakterdarsteller – wem ist das sonst in dieser Form gelungen?

Dass er seine Kinokarriere nach der flauen Superheldensaga „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“ vor 17 Jahren unwiderruflich beendet hat – nach Streitigkeiten mit dem Regisseur in Atombomben-Lautstärke – passt zu Connery, dem oft Widerspenstigen und Misstrauischen (meist zurecht): So ziemlich jedes große Hollywoodstudio hat er wegen kreativer Buchführung verklagt. Noch mehr am Herzen als korrekte Studio-Bilanzen liegt ihm seine schottische Heimat: Mit seiner damaligen Rekordgage für den Comeback-Bond „Diamantenfieber“ (1971) gründete er in Edinburgh eine Stiftung für Künstlerinnen und Künstler; später trat er immer wieder für die schottische Unabhängigkeit ein, was ihn nicht daran hinderte, sich 2000 von der Queen zum Ritter schlagen zu lassen.

Da das Wetter auf den Bahamas weit stabiler ist als das in Schottland, residierte Connery mit seiner Gattin seit Jahren unter anderem dort. Seine Enkelin postete ab und an ein Bild von ihm bei Instagram, aber öffentlich trat Connery nicht mehr auf, schon gar nicht in Hollywood. Seine Haltung dazu kleidete er ohnehin vor Jahren schon in einen typisch kernigen Connery-Spruch: „Ich sage nicht, dass dort alle Idioten sind. Ich sage nur, dass es viele davon gibt.“

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