Konzert im Theaterschiff Schwelgen und Scherben: „Rio Reiser Projekt“ in Saarbrücken

Saarbrücken · Phänomenal: Die Musik und die Texte des 1996 verstorbenen Rio Reiser füllten am Samstagabend das Theaterschiff Maria-Helena komplett. Dort stieg das Stimmungsbarometer besonders, wenn weit zurückgegriffen wurde in die Zeit von Reisers Band Ton, Steine, Scherben. Die 1970 gegründete Formation war wohl die politischste Band ihrer Zeit, die Songtitel „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ und „Keine Macht für niemand“ sind bis heute beliebte linke Parolen.

Phänomenal: Die Musik und die Texte des 1996 verstorbenen Rio Reiser füllten am Samstagabend das Theaterschiff Maria-Helena komplett. Dort stieg das Stimmungsbarometer besonders, wenn weit zurückgegriffen wurde in die Zeit von Reisers Band Ton, Steine, Scherben. Die 1970 gegründete Formation war wohl die politischste Band ihrer Zeit, die Songtitel „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ und „Keine Macht für niemand“ sind bis heute beliebte linke Parolen.

Im Kontrast dazu stand das eher biedere Erscheinungsbild des in Saarbrücken entstandenen Rio Reiser Projekts; Sänger Andreas Bucklisch verströmte wenig Anarchismus. Ihm schien es mehr um Reisers Qualität als Autor sensibler Balladen zu gehen, sie transportierte er glaubhafter als die politischen Texte. Möglicherweise wegen Bucklischs ungewöhnlichem Zugang zu Reisers Musik: Seine damalige Freundin hatte ihn in Hamburg zu Reisers Musik gebracht. „Das war auch nicht weit von Fresenhagen, wo Rio zuletzt wohnte. Ich war dort bei einem kleinen Festival zu Rios viertem Todestag, da war es dann um mich geschehen.“ Bucklisch knüpfte Kontakte zu Reisers Hinterbliebenen: „Irgendwann saß ich mit Rios Mutter Erika am Tisch beim Frühstücksei, da war die Idee geboren: Ich muss Rio singen. Das war dann eine Herzenssache.“

In Saarbrücken fand der Sänger Mitstreiter; zu den Gründungsmitgliedern Armindo Ribeiro (Keyboard), Jan Morbe (Bass) und Jan Scholtz (Schlagzeug) gesellte sich dieses Mal Jens Pörschmann an der E-Gitarre. Eigenwillig war die Songauswahl: „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ war nicht zu hören, ebenso wie Rios größter Hit „König von Deutschland“. Letzterer hat zumindest den Verdienst, dass er zum Abbau der Schulden von Ton, Steine, Scherben beitrug; böse Zungen behaupten ja, dass die damalige Managerin und heutige Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth ihren Anteil am Ruin der Band hatte. Wie dem auch sei: Das Rio Reiser Projekt habe, so Bucklisch, schon früh beschlossen, den Titel nicht zu spielen, „es gibt zu viele andere schöne Lieder von Rio“. Der Song wurde beim Konzert auch nur einmal zaghaft gefordert, aber von der Mehrheit des Publikums sofort abgebügelt: Zu sehr Mainstream war „König“ den meisten, die doch lieber noch einmal in rebellischen Scherben-Zeiten schwelgen wollten.

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