Schuberts „Winterreise“ mit existentieller Wucht interpretiert

Saarbrücken · Es war atemberaubend. Und ein (heilsamer) Schock zugleich, Franz Schuberts Liederzyklus "Die Winterreise" in seiner expressiven Kraft neu zu hören. So wie Schuberts Freunde beim ersten Hören dieser "schauerlichen Lieder" den Schrecken in dieser Musik empfunden haben mögen.

Die komponierte Interpretation dieser "Ikone" unserer Musiktradition von Hans Zender, von 1971 bis 1984 Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Saarbrücken, ließ am Freitag im 3. SR-Studiokonzert auf dem Saarbrücker Halberg die existentielle Wucht des Originals neu erleben. Zenders individuell-interpretierende Lesart koloriert nicht nur mit einem Instrumentalensemble (DRP), sie dringt ein in die Faktur des originalen Klaviersatzes, kehrt Inneres nach Außen. Frei erfundene Vor-, Zwischen- und Nachspiele schärfen die textlichen Aussagen. Mit den kompositorischen Klangformen des 20. Jahrhunderts, aber auch mit Folklore-Instrumenten wie Gitarre oder Melodica, mit Windmaschinen, mit salonhaftem Streichquartett, mit extrovertierter Dramatik wird jedes Lied zum eigenen Klangkosmos.

Tenor Julian Prégardien forderte seine Stimme bis in den Grenzbereich, verdichtete mit eindringlichem Sprechgesang, verströmte aber auch die Poesie sanfter Trauer. Unter der kompetenten Leitung von Robert Reimer bewältigte das Ensemble die extremen Spielanforderungen bravourös. Mit ihnen konnte der anwesende Komponist begeisterten Beifall entgegennehmen.

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