Ausstellung von Parastou Forouhar in Saarbrücken Schmetterlinge aus Blut und Schmerz, Fremdheit im Vertrauten

Saarbrücken · Parastou Forouhars Kunst ist ein politisches Statement gegen den iranischen Gottesstaat und zugleich eine Hommage an die künstlerische Ästhetik der orientalischen Welt.

  Folter auf den zweiten Blick: Gewalt trifft auf Luftballon.    Foto: Forouhar

Folter auf den zweiten Blick: Gewalt trifft auf Luftballon. Foto: Forouhar

Foto: Parastou Forouhar

Leicht und luftig wirken die auf den ersten Blick wunderschönen bunten Schmetterlinge, die Paroustar Forouhar auf einer großen Wand in der Saarbrücker Stadtgalerie angebracht hat. Auf den zweiten Blick stellt sich heraus: Was sich von Weitem als formschönes, gleichmäßiges Ornament darstellt, ist bei naher Betrachtung ein aus brutalen, sich seriell wiederholenden Folterszenen zusammegesetztes Motiv. Hier hat der Mensch jede Individualität eingebüßt. Er ist einem Folter-System ausgeliefert, blutet, leidet, friert. Das Ornament wird hier zum Folterknecht, presst die gepeinigten Körper in Form und suggeriert, dass doch alles ganz harmonisch ist – an der Oberfläche.

Mit solchen Gegensätzen spielt die iranische Künstlerin Parastou Forouhar. Schönheit und Schrecken, Terror und Harmonie liegen in ihren Arbeiten eng beieinander. Sie wählt viele verschiedene Formate für ihre Anklage des totalitären Gottesstaates, der ihre Eltern Parvaneh und Dariush Forouhar, prominente Oppositionelle, 1998 ermordete. Der Mord an ihren Eltern lässt die Künstlerin nicht ruhen, in der Stadtgalerie wird nicht nur eine Dokumentation über den Aufsehen erregenden Fall gezeigt, sondern die Besucher erwartet ein ganzes Kabinett mit tausenden von Schriftstücken und Korrespondenzen, in denen dieser Akt des Terrors verhandelt wird. Man erlebt ein Stück weit mit, wie Parastou Forouhar dieses Trauma verarbeitete – und wie wichtig es nach wie vor für ihre Arbeit ist, vor allem in denjenigen Werken, die die Brutalität des islamischen Regimes und das Grauen der Folterkeller thematisieren.

  Forouhars Ornamentik kombiniert Gegensätze, Schönheit und Terror.  Foto: Forouhar

Forouhars Ornamentik kombiniert Gegensätze, Schönheit und Terror. Foto: Forouhar

Foto: Parastou Forouhar

Dass orientalische Symbolik, vor allem der Tschador, aber auch Leichtigkeit und Schönheit verkörpert, zeigen die Fotografien einer Serie, die im Schweizer Kloster St. Georgen entstand. Wie ein Fabelwesen schwebt oder hüpft eine Figur unter einem luftigen schwarzen Tuch durch einen barocken Saal – macht ihn sich zu eigen und entspannt die Betrachterin, die nach den verstörenden Folterszenen hier die fremdartige Ästhetik dieser poetischen Fotografien genießen kann, mit denen auch der Innenhof der Stadtgalerie bespielt wird. Insofern es gelingt, den Automatismus im Kopf abzuschalten und die Gestalt im Tschador nicht sofort mit einer unterdrückten, zwangsverschleierten Muslimin zu assozieren. Selbst wenn sie es wäre – durch ihre Flüchtigkeit entzieht sie sich ein Stück weit der Realität und lässt Raum für vielerlei Interpretationen. Ost und West begegnen sich hier in einem Barocksaal in der Schweiz. Goethe wäre begeistert gewesen, formulierte er doch schon in seinem West-östlichen Divan von 1819, was wie eine Prophezeiung klingt: „Wer sich selbst und andere kennt, wird auch hier erkennen: Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.“

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