Unter der Erde von Mexiko-Stadt Sucher des verlorenen Schatzes

Mexiko-Stadt · Fünf Meter unter dem Trubel von Mexiko-Stadt wollen Forscher einen Coup landen: Sie suchen nach dem Grab der Könige der Azteken.

 Eine Frau besucht in Mexiko-Stadt die Überreste des Templo Mayor. Fünf Meter darunter arbeiten die Archäologen.

Eine Frau besucht in Mexiko-Stadt die Überreste des Templo Mayor. Fünf Meter darunter arbeiten die Archäologen.

Foto: dpa/Jair Cabrera Torres

Fünf Meter unter dem Trubel von Mexiko-Stadt kauern die Archäologen auf der Erde. Mit feinsten Pinselstrichen legen sie die Opfergaben der Azteken frei. „Dort sind Perlen aus grünem Stein zu erkennen“, sagt Tomás Cruz und deutet auf den Boden. Mehr als 500 Jahre sind seit der Blütezeit des Imperiums vergangen – jetzt könnten die Forscher erstmals ein Grab eines Aztekenherrschers entdecken. Direkt gegenüber dem Templo Mayor von Tenochtitlan (1325-1521), der ehemaligen Azteken-Hauptstadt, haben Archäologen in den vergangenen Jahren zahlreiche Schätze ausgegraben. Ihnen fehlt aber noch ein wichtiges Teil im Puzzle des aztekischen Imperiums: das Grab eines „Tlatoani“.

„Wir graben all diese Steinbehälter mit Opfergaben aus“, sagt Teamleiter Leonardo López Luján. „Danach müssen wir tiefer gehen, auf der Suche nach den Resten der Könige.“ 2011 haben die Wissenschaftler bereits einen entscheidenden Fund gemacht: ein „Cuauhxicalco“ – eine runde Plattform von 16 Metern Durchmesser und 2,5 Metern Höhe. An dieser Stelle – oder in der Nähe – sollen historischen Aufzeichnungen zufolge drei Brüder begraben worden sein, die zwischen 1469 und 1502 auf dem Thron aufeinander folgten: Axayácatl, Tizoc und Ahuítzotl. Sie waren Vorgänger des berühmten Moctezuma II., den der Spanier Hernán Cortés mit seiner Ankunft im Jahr 1519 überrascht hatte.

Der Haupttempel war der religiöse Mittelpunkt Tenochtitlans, einer Stadt, die damals mit 200 000 Einwohnern zu den größten der Welt gehörte. Der Tempel wurde bis zu seiner Zerstörung durch die Spanier immer weiter ausgebaut. Zu seinen Füßen soll die Asche der Herrscher bestattet worden sein.

„Wir graben gerade dort, wo der Cuauhxicalco war“, erklärt die Archäologin Alejandra Aguirre. Ihr Kollege Antonio Marín weist darauf hin, dass dort mehrere Opfergaben mit Tieren, die als Krieger gekleidet waren, gefunden wurden, wie auch die Überreste eines geopferten Kindes. Sie waren für den Sonnen- und Kriegsgott Huitzilopochtli bestimmt. Die Opferung von Menschen an ihre Götter war bei den Azteken und bei anderen Völkern Mesoamerikas üblich. Auch ein großer Monolith der Erdgöttin Tlaltecuhtli wurde in dieser Ausgrabungsstätte vor ein paar Jahren gefunden.

Wenn ein „Tlatoani“ starb, verbrannten die Azteken seine Überreste die ganze Nacht unter freiem Himmel, eingewickelt in ein Bündel. Am nächsten Tag wurden die Knochen- und Aschestücke in Gefäßen vor den 45 Meter hohen Templo Mayor gelegt. Die Azteken bauten keine großen Grabkammern in ihren Tempeln. Das königliche Grab wird also nicht so aussehen wie jene der ägyptischen Pharaonen oder der Maya-Herrscher, sagt López Luján. „Was wir uns vorstellen, ist, dass auf einer kleinen Fläche all diese Überreste und Opfergaben zu finden sein werden.“

Auf und mit den Trümmern von Tenochtitlan bauten die Spanier die neue Hauptstadt des Vizekönigreichs Neuspanien. Die sterblichen Überreste von Moctezuma II. und seinen beiden Nachfolgern, die inmitten der Turbulenzen der Eroberung starben, gelten als vermisst. Fest steht allerdings, dass sie nicht am Templo Mayor begraben wurden.

Tomás Cruz liegt auf dem Boden auf einer kleinen Matratze. Sorgfältig legt er jedes kleine Stück der Opfergabe eines weiblichen Jaguars frei. „Da ist noch ein blaues schlangenförmige Zepter zu sehen“, sagt er. Obwohl Tenochtitlan auf einer Insel errichtet wurde, inmitten eines Sees auf 2200 Metern Höhe, befanden sich unter den Opfergaben Jaguare, Wölfe, Korallen, Muscheln und Kugelfische aus dem Meer. Nichts davon existierte in der unmittelbaren Umgebung – die Opfergaben wurden von weit her gebracht und sind Zeugen der großen Ausbreitung des Imperiums.

Innerhalb von zwei Jahren machten die einfallenden Spanier unter Cortés die Stadt dem Erdboden gleich und löschten damit die aztekische Hochkultur aus. Modernere Waffen machten sie im Kampf gegen die Azteken nahezu unbesiegbar. Zudem bildeten die Spanier Allianzen mit anderen indigenen Völkern der Region, um die Azteken niederzuringen. Eingeschleppte Krankheiten wie Masern und Pocken rafften dazu Hunderttausende Menschen dahin.

 Teamleiter Leonardo Lopez Lujan mit dem Plan der archäologischen Stätte.

Teamleiter Leonardo Lopez Lujan mit dem Plan der archäologischen Stätte.

Foto: dpa/Jair Cabrera Torres

Das Königsgrab könnte wichtige Informationen über den Herrscher, seinen Hof im Herzen des Aztekenreiches und die Beziehungen zu anderen Kulturen in der Region liefern. „Ich bin überzeugt, dass das Grab da ist“, sagt López Luján. „Aber vielleicht liegt es auch ein bisschen weiter dort drüben und wir werden nicht jene sein, die es finden.“

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