Saarländisches Staatstheater Sag’, wie hältst Du’s mit dem Humanismus?

Saarbrücken · SST-Schauspieldirektorin Bettina Bruinier über ihre Regiearbeit „Nathan oder Das Märchen von der Gleichheit“, die morgen Premiere hat.

 Probenszene aus dem Saarbrücker „Nathan“ unter dem Bühnenbild von Mareile Krettek.

Probenszene aus dem Saarbrücker „Nathan“ unter dem Bühnenbild von Mareile Krettek.

Foto: Martin Kaufhold/SST/Martin Kaufhold

() Ganze Schülergenerationen haben als Pennäler Lessings „Ringparabel“, gewissermaßen der Heilige Gral seines 1779 veröffentlichten, zu seinen Lebzeiten nie auf die Bühne gekommenen dramatischen Gedichts „Nathan, der Weise“, durchkneten, wenn nicht herunterbeten müssen. Es ist dieses ergiebige Repertoirestück der Aufklärung über das Ideal einer friedlichen Koexistenz der drei großen monotheistischen Religionen, das Bettina Bruinier, die neue Schauspieldirektorin des Saarländischen Staatstheaters, nun an den Beginn ihrer Saarbrücker Ära setzt. Premiere ist an diesem Samstag im Großen Haus.

Ihre Wahl fiel nicht nur darauf, weil sie „ein großer Lessing-Fan“ ist und den „Eros der Gedanken“ in seinen Dramen schätzt, sagt Bruinier. Auch reizte sie, mit ihrer Inszenierung auszuloten, wieviel Aktualität in der vielgespielten klassischen Vorlage steckt, die sie um Textbausteine von Voltaire und des zeitgenössischen britischen Dramatikers Mark Ravenhill erweitert hat. Dass ihre Nathan-Version maßgeblich auch verhandeln wird, wie weit es mit unserer behaupteten Toleranz heute tatsächlich bestellt ist, liegt auf der Hand. Ist Lessings hohes Lied auf ein Einvernehmen aller Kulturen heute womöglich nur noch eine nette, politisch instrumentalisierbare Version? Man wird sehen. Jedenfalls hat Bruinier ihrer Regiearbeit den Titel „Nathan oder Das Märchen von der Gleichheit“ gegeben. Könnte also gut sein, dass wir hinters Licht geführt und innerlich zur Rede gestellt werden: Sag’, wie hältst Du’s mit dem Humanismus?

Weil ein Teil des neuen Ensembles zum Ende der letzten Spielzeit noch anderweitig gebunden war, beschränkte sich die Probenzeit für Bruiniers „Nathan“ auf viereinhalb Wochen. Ihre erste, mit Dramaturg Horst Busch erarbeitete Strichfassung, ist längst Makulatur und eine zweite und dritte herausgekommen: Hier fielen noch Zwischenbilder weg, dort wurden Szenen umgestellt. Auch schnitten Bruinier und Busch während der Regiearbeit noch manche Textzöpfe der Vorlage ab. „Weil sie zu didaktisch klangen“ oder einzelne Dialoge wirkungslos verpufften. „Man spürt bei den Proben, wo die Energie aus dem Text rausgeht“, umreißt es die 42-jährige Bruinier, die an der Münchner Theaterakademie Opern- und Schauspiel-Regie studiert hat, dann unter anderem am Deutschen Theater in Berlin als Regieassistentin wirkte, ehe sie von 2009 bis 2011 am Frankfurter Schauspiel als Hausregisseurin tätig war.

Dass im „Nathan“ ein aus 13 Laiendarstellern im Alter von 15 bis 70 Jahren gebildeter „Chor der Gläubigen“ mit auf der Bühne stehen wird, ist bei Bruinier mehr als bloß partizipative Mode. „Ich kenne das Stück nur so, dass zwei, drei Leute darin gepflegt untereinander sprechen, obwohl eigentlich dabei ein ganzes Volk Verhandlungsmasse ist.“ Auch Letzteres soll der Chor vor Augen führen. Und wir ihm gleich, sofern das Regiekonzept denn aufgehen wird, erkennen, wie die Handelnden auf der Bühne Anschauungen und Positionen wie Waren verschieben. Nimmt man hinzu, dass all dies in eine kriegerische Szenerie (naturgemäß nicht die der Kreuzzüge wie bei Lessing) eingebettet wird, dürfte also für ausreichend Heutigkeit gesorgt sein.

Bruinier, deren Eltern passionierte Theatergänger waren und ihre heutige Profession so begünstigten, erzählte gestern zwischen zwei Proben jedenfalls voller Verve, klug und nachdenklich. Deutlich wurde, dass sie alles andere als eine Klassik-Verächterin ist. Dass die „Ringparabel“ (wie von anderen Regisseuren schon erprobt) persifliert wird, darf man da also wohl ausschließen.

 Regisseurin Bettina Bruinier, im Juli vorm Großen Haus.

Regisseurin Bettina Bruinier, im Juli vorm Großen Haus.

Foto: dpa/Katja Sponholz

Premiere: Samstag, 19.30 Uhr, im Großen Haus. Restkarten an der Abendkasse.

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