Zum Tod von Rosamunde Pilcher Die Mutter englischer Traumwelten

Dundee · Die Bestsellerautorin Rosamunde Pilcher ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Die Schriftstellerin wurde im deutschsprachigen Raum vor allem durch die ZDF-Verfilmungen ihrer Geschichten berühmt.

  Rosamunde Pilcher schrieb ihre Romane und Kurzgeschichten zwar gerne am Küchentisch – hier aber hat sie für den Fotografen  ihren Schreibtisch am Loch Loggan in Schottland aufgestellt.

Rosamunde Pilcher schrieb ihre Romane und Kurzgeschichten zwar gerne am Küchentisch – hier aber hat sie für den Fotografen  ihren Schreibtisch am Loch Loggan in Schottland aufgestellt.

Foto: dpa/Horst Ossinger

Wenn deutsche Touristen auf den Spuren der Romantik durch Cornwall reisen, müssen sie nicht lange suchen. Die üppigen Gärten, dramatischen Küsten, engen Straßen, hohen Hecken und prächtigen Herrenhäuser, die sie sonst fast jeden Sonntagabend vom heimischen Sofa aus im Fernsehen bewundern können, eröffnen sich tatsächlich in der Gegend wie im Bilderbuch.

Erstaunen lösen die deutschen Touristen vor Ort nur regelmäßig aus, wenn sie Briten auf Rosamunde Pilcher ansprechen – jene Autorin, die ihre Herzschmerz-Geschichten vor die Kulisse der wilden, wunderschönen Natur Cornwalls platzierte. Die Erzählungen handeln von Liebe und Eifersucht, von Glück, Leid, von Freundschaft und Trennung und sind gespickt mit englischer Herrenhaus-Romantik. „Rosamunde who?“, lautet die Antwort der Engländer dann meist. Mit mehr als 60 Millionen verkauften Büchern gehörte die Autorin zwar zu den erfolgreichsten Schriftstellerinnen der Gegenwart. Doch anders als im deutschsprachigen Raum, wo vor allem die Verfilmungen ihrer literarischen Vorlagen für das ZDF Pilcher berühmt gemacht haben, war sie im Vereinigten Königreich weniger bekannt.

Nun ist die Grande Dame der Liebesschnulze im Alter von 94 Jahren gestorben, wie ihr Sohn Robin Pilcher gestern dem „Guardian“ mitteilte. Noch bis Weihnachten sei sie in ausgezeichneter Form gewesen, im neuen Jahr aber habe sie eine Bronchitis bekommen und am Sonntagabend dann einen Schlaganfall erlitten. Seitdem habe sie das Bewusstsein nicht wieder erlangt.

Rosamunde Pilcher wollte ihre Leser während der Lektüre der Erzählungen in den Urlaub entführen und gab ihnen passende Titel wie „Sommer am Meer“, „Das Haus an der Küste“, „Englischer Wein“ oder „Wilder Thymian“. Die ZDF-Verfilmungen  kamen bei den deutschen Zuschauern an: Durchschnittlich rund sieben Millionen Menschen hängen sonntagabends vor dem Bildschirm der Sehnsucht nach Idylle nach. Und obwohl bereits vor Jahren längst alle Romane verfilmt waren, fanden die Produzenten weiteren Stoff in Pilchers Kurzgeschichten, die sie nach eigenen Angaben am Küchentisch verfasst hat. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass das ein Erfolg würde“, sagte die Autorin einmal.

Dass die Erzählungen über attraktive, begüterte und adlige Menschen jenseits des Ärmelkanals in Cornwall spielen, hat die Grafschaft  zu einem Touristenmekka für deutsche Pilcherfans werden lassen. Reisebusse wälzen sich vor allem im Sommer auf engen Landstraßen durch sumpfige Wiesen und weite Felder, entlang der rauen Steilküste und vorbei an Gärten, wo strahlende Blüten Kontraste setzen. Es war hier, wo Pilcher aufwuchs.

Sie wurde 1924 als Tochter eines Marineoffiziers im kornischen Lelant geboren und schloss sich nach ihrem Schulabschluss während des Zweiten Weltkriegs dem „Women‘s Royal Naval Service“, dem Königlichen Marinedienst der Frauen, an. Schon damals schrieb die Britin, die bis 1946 als Sekretärin im Außenministerium arbeitete, Kurzgeschichten. Dann heiratete sie ihren Mann Graham, mit dem sie vier Kinder bekam, und zog nach Longforgan bei Dundee in Schottland, wo sie bis zuletzt lebte. Seit 2009 war sie verwitwet. Im Juni 2012 gab sie bekannt, im Alter von 87 Jahren, mit dem Schreiben aufzuhören.

Zwar hatte Rosamunde Pilcher bereits als Mädchen Geschichten verfasst, doch kommerziellen Erfolg feierte sie mit ihren Erzählungen erst vergleichsweise spät: 1987 schaffte sie mit dem Roman „Die Muschelsucher“ den Durchbruch. Häuser voller Geheimnisse, Familien mit Lügen, wunderschöne Schauplätze, spannende Handlungen: „Damit veränderte sie das Gesicht romantischer Fiktion“, sagt die britische Bestseller-Autorin Katie Fforde. Pilcher sei wegweisend gewesen, da „sie die Erste war, die Familiensagen in die breitere Öffentlichkeit brachte“.

Derweil ist die Dankbarkeit über die Geschichten, die zunächst in Frauenzeitschriften erschienen, groß im Südwesten Englands. „Dass Cornwall die Kulisse für die Filme stellt, ist das beste Marketing, das wir kriegen können“, sagte einmal Malcolm Bell, Chef des Fremdenverkehrsamts Visit Cornwall. Die Hälfte aller ausländischen Gäste in der strukturschwachen Gegend seien deutschsprachig. In Cornwall bezeichnen sie es als „Rosamunde-Pilcher-Effekt“, wenn rund 350 000 Touristen pro Jahr aus Deutschland, Österreich und der Schweiz anreisen.

Mit dem Erfolg der Pilcherfilme in Deutschland begann zudem der touristische Aufstieg von Herrenhäusern wie etwa Prideaux Place, einem efeubewachsenen Prachtbau in den Hügeln von Padstow. Wer auf die Eigentümer, Elisabeth und Peter Prideaux-Brune, trifft, hört aus ihren Stimmen vor allem Dankbarkeit gegenüber der Autorin. Das Anwesen des Paars profitiert von den Dreharbeiten wie kaum ein anderes, etliche Episoden spielten hier. Der pensionierte Anwalt, der stets als Komparse – mal als Chauffeur im eigenen Bentley oder als Gin-Tester – einspringt, stellt sein Haus gerne zur Besichtigung zur Verfügung. „Das hilft, die Rechnungen zu bezahlen“, sagt der Hausherr. Auch Pilcher hatte einmal vorbeigeschaut. Die Prideaux-Brunes zeigten sich ganz entzückt von ihr, „so nett und herzlich“ sei sie gewesen. Fast als logische Folge wurde die Schriftstellerin im Jahr 2002 für ihre Verdienste um den Tourismus mit einem British Tourism Award ausgezeichnet. Rosamunde Pilcher hat die englische Traumwelt nach Deutschland gebracht.

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