Neu im Kino Höflicher Dieb mit legendären blauen Augen

Bonn · Robert Redford belebt als alternder Ganove im ländlichen Texas der 1980er Jahre zum letzten Mal seinen eigenen Mythos als Sundance Kid.

 Kriminell, aber charmant: Robert Redford als „Forrest Tucker“, hier mit Sissy Spacek.

Kriminell, aber charmant: Robert Redford als „Forrest Tucker“, hier mit Sissy Spacek.

Foto: dpa/Eric Zachanowich

Wer über Robert Redford spricht, denkt immer auch an Sundance Kid zurück, jenen charmanten jungen Gauner in George Roy Hills 50 Jahre altem Western „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ (deutscher Titel: „Zwei Banditen“). Man kann gut verstehen, dass Redford am selbst erklärten Ende seiner Schauspielerkarriere noch einmal zu der ikonischen Figur und jener Rolle zurückkehren wollte, die ihm den Weg zum Starruhm ebnete und die sich in die Herzen seiner Fans eingeschrieben hat.

Das Alter mag inzwischen sein Gesicht gezeichnet haben, und die Leichtigkeit der Bewegungen ist dem mühsamen Gang eines 80-Jährigen gewichen, aber der Schalk blinkt unverändert aus seinen Augen, und die Ähnlichkeit mit dem strahlenden Sundance Kid ist unverkennbar. Eine der bemerkenswertesten Filmkarrieren Hollywoods rundet sich in „Ein Gauner & Gentleman“.

Hauptfigur und Story des Films beruhen auf der Lebensgeschichte eines gewissen Forrest Tucker, die 2003 durch einen Artikel in dem Magazin „The New Yorker“ der Vergessenheit entrissen wurde. Tucker war ein Bankräuber, der Texas und die angrenzenden Staaten unsicher machte und nicht weniger als 17 Mal aus dem Gefängnis ausgebrochen ist. Was ihn in den Augen derer auszeichnete, die ihn kannten, waren sein altmodisch gutes Benehmen und seine freundlichen Umgangsformen. Sogar die von ihm Bestohlenen fanden stets ein gutes Wort für ihn. „Er war ein Gentleman.“

Für Redford muss es eine Freude gewesen sein, Forrest Tucker auf der Leinwand lebendig werden zu lassen. Er nähert sich der Rolle mit derselben Zurückhaltung und Selbstkontrolle, die er schon in „All Is Lost“ an den Tag legte. Nie scheint ihm auch nur in den Sinn zu kommen, die Singularität des bis ins hohe Alter charismatischen Ganoven als Sprungbrett für spektakuläre schauspielerische Aktionen zu nutzen. Ein gelegentliches Zwinkern in den Augen reicht, um einen Mann glaubwürdig zu machen, der sein Leben lang das Gesetz missachtet hat, ohne einem seiner Opfer weh tun zu wollen.

Mit dem Regisseur David Lowery und dessen Stil hat Redford großes Glück gehabt. Von Anfang an ist es eine listige, hintersinnige Geschichte, die erzählt wird: Tuckers Begegnung mit einer für ihr Alter immer noch sehr attraktiven Witwe (Sissy Spacek), die seinen Flunkereien nicht glaubt, aber glauben möchte; Tuckers Verhältnis zu seinen beiden Helfershelfern (Danny Glover, Tom Waits), die nebenbei auch noch den in den USA populären Fernsehfilm „The Over-the-Hill-Gang“ parodieren; und vor allem die Raubzüge selbst, die nichts als verblüffte Opfer hinterlassen. Bei aller Konzentration auf die augenzwinkernde Originalität des unkonventionellen Bankräubers, hat die Story aber auch Ecken und Kanten, die das zurechtrücken, was gelegentlich hinter der Sympathisierung eines Gauners verloren zu gehen droht.

Casey Affleck spielt mit der ihm eigenen Einsilbigkeit einen glücklich verheirateten Polizeidetektiv, der sich nicht nur an Tuckers Spuren heftet, sondern dessen Privatleben durch den ungewöhnlichen Fall in Unordnung gebracht wird. Außerdem taucht Tuckers Tochter auf, die gebrochenen Herzens ihre Entfremdung von dem stets abwesenden Vater kundtut.

Redford und Lowery stimmten wohl darin überein, dass „Ein Gauner & Gentleman“ im Umfeld angestaubter US-amerikanischer Provinzstädtchen der frühen 1980er Jahre belassen werden musste, deren verwitternde, aber gerade deshalb reizvolle Kulisse der Geschichte eine Patina verleiht, die den Schwebezustand zwischen Realismus und lyrischer Idealisierung nicht nur bestätigt, sondern zur durchgehenden Kennzeichnung des Films macht.

Aufgenommen mit leicht beweglichen Super-16mm-Kameras, ist alles auf Augenhöhe des Zuschauers. Keine Runzel in Redfords Gesicht bleibt dem Publikum verborgen, kein Blinzeln seiner blauen Augen. Aber gleichzeitig spiegeln sich die Konsequenzen seines Verhaltens in Bildern von körniger Entmythisierung. Darin besteht der Unterschied zwischen „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ und „Ein Gauner & Gentleman“: Der jugendliche Hollywood-Glamour ist einem reflexiven Alterswerk gewichen.

Der Film startet morgen in der Camera Zwo (Sb).

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