Riskante Empfangskultur oder: Limonade passt nicht zur Gans

Saarbrücken · Es ist fraglos ein dankbarer Komödien-Stoff: Zwei Pärchen geraten in Kommunikations-Schieflage. Doch „Ein Teil der Gans“ dreht sich auch um die Angst vor Fremden. In Saarbrücken wird die Finesse nur bedingt erlebbar.

 Gemischtes Doppel: Szene mit Vanessa Czapla, Christiane Motter, Roman Konieczny und Christian Higer. Foto: Marco Kany

Gemischtes Doppel: Szene mit Vanessa Czapla, Christiane Motter, Roman Konieczny und Christian Higer. Foto: Marco Kany

Foto: Marco Kany

An diesem "Teil der Gans" haben sich seit 2007 nicht wenige Regisseure die Finger verbrannt. Denn der Witz des Stückes ist so filigran und störanfällig gebaut wie das Soufflé, das der Gastgeberin auf der Bühne missrät. Auch in der Saarbrücker Sparte 4 ist jetzt eine nur mäßig geglückte Version von Martin Heckmanns Stück herausgekommen. "Ein Teil der Gans" hat, noch bevor die Flüchtlingskrise zum Tagesthema wurde, die Phänomene Fremdenangst und Wohlstandsegoismus beleuchtet - in einer sehr eigenwilligen bitter-süßen Mischung aus Poesie und Boulevard, mit einer Figuren-Konstellation und Tonalität, die an Yasmina Rezas Erfolgsdramen (etwa "Kunst") erinnert.

Bettina und Victor laden am Martinstag ein anderes Paar zum Essen ein, den Hotelier Amin und dessen Frau Tara, die sich später als Escort-Girl enttarnt. Bettina verspricht sich von dem Besuch einen neuen Job als Empfangsdame. Hinzu kommt der "leicht dunkelhäutige" ungebetene Gast Max, den Viktor irrtümlich ins Haus gelassen hat. Doch die gepflegte Konversation eskaliert, durch die Smalltalk-Ritzen sickert Boshaftigkeit ein, es kommt zu peinlichen Kommunikations-Pannen und absurden Situationen. Solcherart Stoff lebt von größtmöglicher Realitätsnähe und durch feinnervige Finesse im Spiel. Zu beidem sagt Regisseur Max Claessen jedoch nein. Er katapultiert Heckmanns Zeitstück in eine Heimatfilm-Studiokulisse der 60er Jahre: Tiroler Bergwelt in Öl und Rosenresli-Zopffrisur der Gastgeberin - nein, dieser "Teil der Gans" ist so gar nicht von unserer Welt, und so reicht es in der Sparte 4 auch nicht zum modisch flotten Boulevard.

Vor allem zu Beginn pflügt sich das Bühnengeschehen durch bräsige Humorbahnen: behäbiger Ton statt Wortflinkheit. Nur Vanessa Czapla unterspült die Figur von Amins libidogesteuerter Begleiterin mit einer Form grimmig-rustikalen Sex-Appeals, der zum Schreien ist. Dem hingegen sah man Christiane Motter selten so hilflos in einer Rolle plantschen. Viel zu spät wird ihre hyperaktive Bettina zur absurden Megäre, die Sprühsahne als Waffe nutzt. Auch Christian Higer befreit seinen Einfaltspinsel Viktor erst nach und nach aus den Fesseln mäßiger Spaßigkeit. Und Ernst statt Ironie bringt Eindringling Max (Robert Prinzler) ins Haus, kritisiert die Angepasstheit und Konsumorientiertheit der Gastgeber. Auch Roman Konieczny gibt beim gönnerhaften Macho Amin komödiantisch zu wenig Gas. Seine minutenlange Abschluss-Hasspredigt über "Wassermassengräber" kippt in Richtung Paranoia. Dabei geht es hier um eine wunderbare Spitzfindigkeit des Autors, der das Gattungskorsett des eigenen Stückes sprengt und verspottet. Es ist ein gutes, denn es hält selbst die künstliche Aufgeblähtheit aus, die in der Sparte 4 obwaltet. - Und unterhält das Publikum trotzdem.

Nächste Termine: 20., 30.11., 2.12.; Tel. (06 81) 30 92 486.

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