Reisen Côte d’Azur – auf zur glücklichen Küste!

Cannes/Nizza · Erika und Klaus Mann schrieben 1931 einen geistreichen Reiseführer über den „Midi“. Jetzt ist er neu erschienen.

Sie waren Träger eines großen Namens. Kinder eines Nobelpreisträgers für Literatur. Den hatte ihr Vater, Thomas Mann, 1929 erhalten. Schon früh hatten sie eigene Werke veröffentlicht, waren neugierig, engagiert und liebten das Reisen. Erika (1905 -1965) und Klaus Mann (1906 - 1949), sind ein berühmtes Geschwisterpaar der deutschen Literatur. „Wir traten wie Zwillinge auf und die Erwachsenen hatten uns als Einheit zu akzeptieren“ hat Klaus Mann geschrieben. Dieses „Zwillingspaar“ hatte viele gleichartige Interessen und Sehnsüchte. Mehrfach haben sie die Riviera bereist, sich für das Blau unter südlicher Sonne begeistert.

Am Anfang ihres Reiseführers „Das Buch von der Riviera“ stellen sie eine Frage und geben sich die Antwort: „Warum fahren wir hin, immer wieder? – Es gehört zu ihren Geheimnissen, dass sie jedem ganz das bietet, was er sucht. Es ist eine nachgiebige Küste.“ Eine glückliche Küste, eine abenteuerliche Küste! Immer wieder geraten die beiden Autoren ins Schwärmen. Ein Bouquet bunter Eindrücke und Informationen. Gesammelt und aufgehoben entlang einer der berühmten Küsten der Welt, die man am besten von Marseille aus bereist. Damals wie heute. In unsere Zeit, in der man in digitalen Bildfolgen schwelgt, ist das geschriebene Wort oft zum Beiwerk verkümmert. Der Charme dieses fast 90 Jahre alten Reiseführers liegt im Reichtum seiner Worte und Sätze, mit denen die jungen Autoren die Reiselust der frühen touristischen Jahre artikulieren. Egal ob sie die Canebière in Marseille runter schlendern, oder den Geruch des „Vieux Port“ des alten Hafens, in der Nase hochziehen, die Stadt ist ein Traumziel.

 „Wie schön ist diese Stadt! In unserem Zusammenhang bedeutet sie den Eingang zur Côte d’Azur. In Wahrheit ist sie der Ausgang zum schwarzen Erdteil. Man ist in 24 Stunden in Algier. Afrika scheint mit tausend Farben und Gerüchen herüber dringen.“ Weiter geht die Reise Richtung Cannes und Nizza. Ein paar Kilometer vor dem Kriegshafen Toulon wird Sanary-sur-mer besucht. Als sie die alten Gassen durchstreifen, ahnen sie nicht, dass sie nur wenige Jahre später ihren Eltern ins Exil hierher folgen würden, als das Fischerstädtchen zweitweise „Hauptstadt der deutschen Literatur“ genannt wurde.

 Thomas Mann, Bertolt Brecht, Arnold Zweig und andere Emigranten warteten hier auf eine Schiffspassage in die USA. Die beiden Autoren lassen keinen namhaften Ort links liegen. Saint Tropez. Saint Raphael. Das Flair der reichen Welt betrachten sie mit bewundernder Neugier und – ambivalenter Distanz. „Die Großfürstin mit den Perlen, die zwei Provinzen wert sind, ist Vorkriegsspuk“ konstatieren sie und beobachten: „Mittlere bis kleine Bourgeoisie und Künstlervölkchen teilen sich mehr und mehr die viel geliebte Küste.“ Cannes, damals noch ohne „Goldene Palme“ scheint elegant, verschlafen, während auf dem „Boulevard des Anglais“ im nahen Nizza die Reichen und Schönen bis spät in die Nach auf und ab flanieren. „Wenn man sich abends von Villefranche her auf der großen Autostrada Nizza nähert, leuchtet einem diese pathetische Lichterkurve der Promenade entgegen, wie ein riesiger Schmuck, der hinaus ins schwarze Meer geworfen ist.“

Beide Autoren, die in späteren Werken kämpferisch engagiert gegen den deutschen Faschismus schrieben, schwelgen in diesem Frühwerk in verspielten Romantizismen und emotionaler Begeisterung. Sie besuchen Museen und Galerien, die es heute nicht mehr gibt. Sündhafte teure Hotels wie das Negresco in Nizza oder das Hermitage in Monte Carlo, werden kritisch gesehen. Als die Reise in Genua zu Ende geht, haben sie auch die italienische Riviera hinter sich und kommen zu dem Schluss: „Der italienischen Riviera fehlt – für unser Empfinden – ein Charme, eine Lebendigkeit, um derentwillen wir die Côte d’Azur vorziehen“. Schade, dass dieser Blick auf das Reisen in Vorkriegszeiten nur eine „Randnotiz“ im Gesamtwerk der beiden Autoren darstellt. Die Wiederentdeckung hat sich gelohnt.

 Erika und Klaus Mann, Kinder von Thomas Mann, waren große Verehrer der Riviera.

Erika und Klaus Mann, Kinder von Thomas Mann, waren große Verehrer der Riviera.

Foto: picture alliance/dpa Picture-Alliance / Copyright © CSU Archives/Everett

Erika und Klaus Mann: „Das Buch von der Riviera“ Kindler Verlag 2019, 176 Seiten mit 30 schwarz-weiß Fotos, 16 Euro.

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