Madonna wird 60 So wandlungsfähig wie ein Chamäleon

Saarbrücken · Pop-Ikone Madonna wird 60: Mit ihren Tabu-Brüchen prägte sie seit den 80ern Musik, Mode und Videokunst.  

 Madonna in einem Bustier von Jean Paul Gaulthier während der „Blond Ambition Tour“ 1990.

Madonna in einem Bustier von Jean Paul Gaulthier während der „Blond Ambition Tour“ 1990.

Foto: dpa/Franz-Peter Tschauner

(esb/epd). Es war 1983. Im Musiksender MTV, damals ein Hit bei Teenies wie mir, sehe ich sie das erste Mal: Madonna. Die Haare hochtupiert, in schwarzen Popperklamotten, Armbänder bis zu den Ellenbogen und dann dieses markante, coole Marilyn Monroe-Muttermal am Kinn. Sie singt „Holiday“ und tanzt – flankiert von zwei Tänzern. Es wird Madonnas erster Welt-Hit. Ich (damals 11) kopiere die „Moves“ vorm Spiegel. Tagelang sitze ich vorm Radio und versuche, den Song aufzunehmen. Man benutzte damals Musikkassetten und hoffte, dass der Moderator nicht reinquatscht.

1983 also begann die fantastische Karriere der damals 25-jährigen Madonna Louise Veronica Ciccone aus dem US-Staat Michigan. Sie hat mit über 300 Millionen Tonträgern mehr Platten verkauft als Michael Jackson oder die Beatles. Madonna setzte Trends in Musik und Videokunst, in Mode und Bühnen-Performance. Jean Paul Gaulthier schneiderte ihr spektakuläre Kegel-Brüste, Corsagen, Lack- und Lederteile auf den Leib. Mit Sex und Selbstbewusstsein sprengte sie Grenzen und stand für ihre ganz eigene Spielart des Feminismus, denn die Pop-Ikone setzte immer auch ihren Körper ein, um die Botschaft der starken, aber lustvollen Frau rüberzubringen. Für den weiblichen Nachwuchs in der Popmusik wie Britney Spears, Katy Perry, Rihanna, Shakira oder Pink ist sie ein Vorbild. Und sie beherrscht das Spiel mit der Provokation noch immer

Vergangenen Mai zum Beispiel trat Madonna bei der Gala des Metropolitan Museum of Art in New York auf mit blonden Zöpfen in einem weißen hauchdünnen Kleid. Dort sang sie ihren fast 30 Jahre alten Hit „Like a Prayer“ („Wie ein Gebet“). Mit dem Song eckte sie damals bei konservativen Politikern und Organisationen an – und bei Kirchenleuten. „Himmelskörper“ war das Thema der glamourösen Prominentenschau in New York, es ging um den Einfluss der katholischen Kirche auf die Mode. Der nur zwölfminütige Überraschungsauftritt glich einer Zeitrafferreise durch Madonnas Karriere. Sinnbildlich wird sie misshandelt, von heraneilenden Jungfrauen auf die Stufen einer angedeuteten Kathedrale geworfen. Sie erhebt sich mit einem stählernen Schulterpanzer, eine Jeanne d‘Arc des Pop: eine starke Powerfrau, die selbstbewusst ihr Leben gestaltet.

Madonna knutschte mit Sängerinnen auf der Bühne, sang als Protest gegen die Todesstrafe auf dem elektrischen Stuhl, hängte sich vor mehr als zehn Jahren mit Dornenkrone ans Kreuz. Skandal! Heute erregt sie damit kaum mehr die Gemüter, übersexualisierte Videos laufen in Dauerschleife auf youtube. So gekonnt wie die „Queen of Pop“ spielen allerdings nur wenige mit sexuellen und religiösen Motiven. Gerne schlüpfte sie in die Rolle der Heiligen und der Hure. Als Kindfrau räkelte sie sich lasziv auf dem Cover ihrer zweiten Schallplatte „Like a Virgin“ (1984). Das Album wirkt wie eine Abrechung der Ex-Katholikin mit der Kirche. Heute bezeichnet Madonna sich als eine Anhängerin der Kabbala, einer jüdisch-mystischen Geheimlehre.

Die Kunstfigur Madonna lässt sich nicht hinter die Maske schauen. Als Meisterin der Selbstinszenierung und Selbstvermarktung ist sie die reichste Frau im Musikgeschäft und immer noch sehr einflussreich. Die Wandelbare, die Stile und Identitäten lustvoll wechselt, Filme drehte (,,Susan, verzweifelt gesucht“, „Evita“) und sich künstlerisch immer wieder neu erfindet, ist selbst zur Pop Art, zum Gesamtkunstwerk geworden.

Und privat? Mit Schauspieler Sean Penn und später Regisseur Guy Richie war sie verheiratet. Sie hat zwei leibliche Kinder, Lourdes (22) und Rocco (18). Dass Madonna in den vergangenen Jahren vier Waisenkinder aus dem südostafrikanischen Malawi adoptierte und dort Hilfsprojekte für Kinder unterstützt, brachte ihr auch negative Schlagzeilen ein. Dies sei eine „PR-Nummer“, der reiche Popstar wolle sich nur Liebe und Anerkennung kaufen, kritisierten Medien. Anlässlich ihres 60. Geburtstages organisiert sie eine Online-Spendenaktion für Kinder-Hilfsprojekte in Malawi. Seit einem Jahr lebt sie in Lissabon, ihrem Adoptivsohn David (13) zu Liebe. Das Sport-Talent besucht dort eine Fußball-Schule. Madonna scheint mit 60 also in der Mutterrolle aufzugehen. ’Ne coole Oma wäre sie sicher auch...

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