Peaches bei der „queeren Kulturwoche“ „The next song is about my Muschi“

Wiesbaden · Blank ziehen gegen die hypersexualisierte Gesellschaft: Die Künstlerin Peaches machte die „queere Kulturwoche“ noch etwas bunter.

 Peaches auf der Bühne bei der „queeren Kulturwoche“.

Peaches auf der Bühne bei der „queeren Kulturwoche“.

Foto: David Lemm

„The next song is about my Muschi!“ Johlender Applaus begleitet Peaches’ beherzten Griff in den Schritt und die züngelnde Geste in Richtung Publikum. Zuvor hatte die aus Toronto stammende Künstlerin ihr Konzert im Schlachthof in Wiesbaden  mit einer formvollendeten Stoff-Vulva auf dem Kopf begonnen. „Come with me, you know me, feel free, peachy“, skandiert sie mit tiefem Timbre, untermalt  von mächtigen Bässen. In Nullkommanichts versetzt sie das bunt gemischte Publikum in Tanzwut.

Diese Rage hält in der einstündigen, sehr freizügigen Performance mit zwei tätowierten Tänzerinnen an. „Are you nasty Wiesbaden?“, fragt die 52-Jährige das elektrisierte Publikum – und ja, Wiesbaden ist „nasty“, bunt und queer (auf Deutsch: schräg). Denn zum Konzert im Rahmen der „queeren Kulturwoche“ hat sich ein buntes Völkchen aus der LGBT-Gemeinschaft (Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender) eingefunden, das die queere Feminismus-Ikone Peaches feiert. Seit 2000 verkündet die in Berlin lebende Kanadierin ihre „Teaches of Peaches“, so der Name ihres Debütalbums. Ihr Konzept ist so einfach wie schlüssig: Elektro-Beats geben den harten Rhythmus für die nicht minder harten Texte vor, die Peaches in ausgefallenen Kostümen und in hautnahem Kontakt mit dem Publikum schweißtreibend performt, bevor sie final blankzieht.

1866 pinselte Gustave Courbet (1819-1877) in damals anstößiger Direktheit im Auftrag des türkisch-ägyptischen Diplomaten Khalil-Bey (1831-1879) „Der Ursprung der Welt“ mit Öl auf die Leinwand. Der spätere Besitzer, der Psychoanalytiker Jacques Lacan, entzog erst einmal das Gemälde dem Blick der Öffentlichkeit, bis es seinen Weg ins Pariser Musée d‘Orsay fand. Gut eineinhalb Jahrhunderte später fokussiert Peaches in ebenso unverblümter Direktheit,  obendrein multimedial versiert, diesen Ursprung. Mit einem dezidiert weiblichen Blick seziert sie den lüsternen männlichen Blick und nimmt etablierte heteronormative Muster ins Visier. Auf das Schimpfwort „Motherfucker“ antwortet sie mit dem vieldeutigen Ausdruck „Fatherfucker“. Der Titel ihres Albums „Impeach my bush“ (Klag meinen Busch an) kritisiert sie frauenverachtende Auswüchse einer hypersexualisierten Gesellschaft.

In „Vaginoplasty“ rechnet sie mit der plastischen Chirugie ab und fordert daraufhin „Dick in the Air“. Die einfache Botschaft sublimiert Peaches, in dem sie in einen riesigen aufgeblasenen phallischen Zylinder, der ins Publikum ragt, steigt und in dessen Spitze die Männer lauthals zum Hoseöffnen anhält – was jedoch keiner tut. Zwischendrin spritzt sie mit Champagner um sich und schüttelt ihre platin-gefärbte Hahnenkamm-Tolle, bevor sie sich nach einer Stunde und einer Zugabe verabschiedet, schwitzend und barbusig.

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