Die 92. Oscar-Verleihung Viele Goldjungen und ein bisschen Diversität

Los Angeles · Der Film „Parasite“ aus Südkorea schreibt Geschichte: Er gewann als erste nicht-englische Produktion den Oscar als bester Film. Das war die große Überraschung bei der Preisverleihung im Dolby Theatre in Los Angeles – die Preise für Joaquin Phoenix und Renée Zellweger aber überraschten weniger.

 Triumph mit „Parasite“: Regisseur und Ko-Drehbuchautor Bong Joon Ho („The Host“, „Snowpiercer“) mit seinem Regie-Oscar. Die Camera Zwo in Saarbrücken zeigt den Film noch einmal an diesem Wochenende.

Triumph mit „Parasite“: Regisseur und Ko-Drehbuchautor Bong Joon Ho („The Host“, „Snowpiercer“) mit seinem Regie-Oscar. Die Camera Zwo in Saarbrücken zeigt den Film noch einmal an diesem Wochenende.

Foto: AP/Chris Pizzello

Es könnte ein historischer Wendepunkt sein: Zum ersten Mal in der 92-jährigen Geschichte der Academy Awards hat ein nicht-englischsprachiges Werk die Auszeichnung für den besten Film gewonnen. In einer seit Jahren anhaltenden Debatte über die überwiegend männlich und weiß geprägten Oscars gewann das südkoreanische Sozialdrama „Parasite“ am Sonntagabend in Los Angeles die begehrteste Trophäe. „Parasite“ als Porträt sozialer Ungleichheit ging vielen Oscar-Abstimmenden unter die Haut. Der Sieg markiert einen Wandel bei den Academy Awards, bei denen ausländische Filme lange Zeit in eine eigene Kategorie verbannt wurden. Die Tragikomödie von Bong Joon Ho räumte gleich vier Trophäen ab – für den besten Film, die beste Regie, das beste Originaldrehbuch und den besten internationalen Film. Für Südkorea ist es auch der erste Auslands-Oscar. Und Bong und Co-Drehbuchautor Han Jin Won sind die ersten Autoren aus Asien, die die Trophäe für das beste Drehbuch bekommen haben.

Langanhaltender Applaus begrüßte Bong auf der Bühne. „Ich bin bereit, heute Abend zu trinken“, sagte er und erntete Tosen aus dem Publikum. Nachdem er auch die Auszeichnung für die beste Regie eingefahren hatte, grüßte er die anderen Nominierten, insbesondere Filmemacher Martin Scorsese (dessen zehn Mal nominierter „Irishman“ leer ausging). „Als ich in der Schule war, studierte ich Martin Scorseses Filme“, sagte der Südkoreaner. „Alleine schon geehrt zu werden, war eine riesige Ehre“, sagte er mit Bezug auf die Nominierungen. Er habe nie geglaubt, dass er gewinnen würde. „Ich bin bereit, heute Abend bis zum nächsten Morgen zu trinken.“

Viele hatten vorab den Mangel an Diversität sowie an Filmemacherinnen bei den Nominierungen kritisiert. Zum 87. Mal in der fast hundertjährigen Geschichte der Oscars waren keine Frauen für die beste Regie nominiert. Das Thema zog sich durch die gesamte Veranstaltung. Schauspielerin Natalie Portman trug einen Umhang, auf dem die Namen nicht nominierter Filmemacherinnen eingenäht waren – Lulu Wang („The Farewell“), Greta Gerwig („Little Women“) und Mati Diop („Atlantics“).

Mit der Entscheidung für „Parasite“ fiel auch die gegen einen anderen historischen Sieg – einer etwaigen ersten Auszeichnung eines Netflix-Films in der Königskategorie. Mit „The Irishman“ und „Marriage Story“ waren zwei Netflix-Produktionen nominiert. Ein weiterer Favorit räumte deutlich weniger Trophäen ab als erwartet: Das Weltkriegsdrama „1917“ war für zehn Oscars nominiert, gewann am Ende in drei Kategorien (siehe Infokasten).

Alle Darsteller-Kategorien fielen wie erwartet aus: Den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle bekam Renée Zellweger. Sie wurde für ihre Darstellung der Schauspielerin und Sängerin Judy Garland (1922-1969) im Film „Judy“ geehrt. Für Zellweger ist es der zweite Oscar. 2004 gewann sie den Oscar für die beste weibliche Nebenrolle für ihre Leistung in „Unterwegs nach Cold Mountain“.

Joaquin Phoenix ging für seine Rolle in der düsteren Comicverfilmung „Joker“ als bester Hauptdarsteller nach Hause. Es ist sein erster Oscar. In seiner Rede sagt er: „Ob wir über Geschlechterungleichheit oder Rassismus oder Queer-Rechte oder indigene Rechte oder Tierrechte sprechen, wir sprechen über einen Kampf gegen den Glauben, dass eine Nation, eine Ethnie, ein Geschlecht oder eine Spezies das Recht hat, eine andere ungestraft zu dominieren, zu kontrollieren und auszubeuten.“

Brad Pitt holte für seine Darbietung in „Once Upon a Time in Hollywood“ eine Trophäe für die beste männliche Nebenrolle. In dem Film von Quentin Tarantino mimt der 56-Jährige das Stuntman-Double eines Western-Schauspielers, verkörpert von Leonardo DiCaprio. Der Oscar für die beste weibliche Nebenrolle ging an Laura Dern. Geehrt wurde sie für ihre Darstellung einer beinharten Scheidungsanwältin in „Marriage Story“.

  Joaquin Phoenix mit dem Oscar für „Joker“, der am Wochenende im Filmhaus (Sb) läuft.

Joaquin Phoenix mit dem Oscar für „Joker“, der am Wochenende im Filmhaus (Sb) läuft.

Foto: dpa/Jordan Strauss
  Laura Dern und ihr Oscar als beste Nebendarstellerin im Scheidungsdrama „Marriage Story“.

Laura Dern und ihr Oscar als beste Nebendarstellerin im Scheidungsdrama „Marriage Story“.

Foto: dpa/Chris Pizzello
  Renée Zellweger und der „Judy“-Oscar. 2004 gewann sie für „Unterwegs nach Cold Mountain“.

Renée Zellweger und der „Judy“-Oscar. 2004 gewann sie für „Unterwegs nach Cold Mountain“.

Foto: dpa/Jordan Strauss
  Brad Pitts zweiter Oscar. Den ersten gewann er 2014 als Produzent des Films „12 years a slave“.

Brad Pitts zweiter Oscar. Den ersten gewann er 2014 als Produzent des Films „12 years a slave“.

Foto: dpa/Jordan Strauss

Diversität war auch ein großes Thema für Chris Rock und Steve Martin, die als inoffizielle Gastgeber den Abend eröffneten. Rock witzelte, der schwarze Schauspieler Mahershala Ali habe zwar zwei Oscars, aber „weißt du, was das bedeutet, wenn die Polizei ihn anhält? Nichts.“ Martin bemerkte, dass bei den Nominierungen für die beste Regie etwas zu fehlen schien. Rock antwortete darauf: „Vaginas?“

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